freie Lektorin und Autorin
Himmelsfarben – Geschichte
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Michaela, die Assistentin für alles Philosophische und Psychologische, Yoga und Wellness. Chronisch unfrisiert liebt sie alles Chaotische, Kreative und möchte deshalb natürlich Leben im Universum haben.
Luzie, die Assistentin aus dem Untergeschoss, zuständig für alles Brennbare und Explosive, ist der Untergang aller Ordnung und Symmetrie und der Ruin der Nerven ihrer Kolleginnen.
Laplacie, der Laplacesche Dämon, der als fleißiger HiWi immer für Ordnung sorgt und für den nur die Quantenmechanik schlimmer ist als das Aufeinandertreffen aller drei Kolleginnen.
Gott, der Chef, der mit unerschütterlicher Ruhe die Kolleginnen und ihre Arbeiten dahin lenkt, wo er sie hinhaben will, zu einer funktionierenden Physik und irgendwann der Entstehung von Bakterien, Quallen, Nashörnern und anderen Lebewesen.
Gabriela, die Assistentin für Naturwissenschaften. Stets exakt frisiert hält sie hochsymmetrische Zustände für den Inbegriff von Schönheit und steht der Idee, Leben und das damit verbundene Chaos im Universum entstehen zu lassen, mit Skepsis, um nicht zu sagen, tief empfundenem Abscheu gegenüber.
Luzie wollte sich gerade eine Zigarette an einem ihrer Atemstöße anzünden, was sich im herrschenden Sturm als nicht ganz triviales Problem erwies, als Gott neben ihr auftauchte. Sie steckte die Zigarette neben ihr rechtes Horn und wirbelte etwas Sand mit ihrem Schwanz auf. Etwas mehr Sand. Wenn schon kein Rauch in der Atmosphäre, dann wenigstens ein ordentlicher Sandsturm. „Tag, Chef!“
„Tag, meine Liebe!“ Gott hielt die Hand gegen den Sandsturm vor die Augen, blinzelte zwischen den Fingern den roten Himmel an und zerrte seinen windzerzausten Rauschebart dahin, wo er hingehörte. Vergeblich. „Sagen Sie mal, hatten wir uns nicht auf einen blauen Himmel geeinigt? Oder habe ich da schon wieder was verwechselt?“ brüllte er gegen den Sandsturm an und spuckte anschließend den Sand aus.
„Nee, nee, Se sind bloß falsch abgebogen! Das hier is der Mars! ’N Modellmars, glaub ich. Die hochverehrte Kollegin Gabriela wollte mich bei ihr‘n Experimenten zur Atmosphärenzusammensetzung nich mehr mitmachen lassen. Bin der Wasserstoffflasche zu nahe gekommen. Da isse halt explodiert.“
Gott musterte die Flämmchen und Rauchwolken, die seiner höllisch feurigen Assistentin aus den Hörnern quollen. „Gabriela ist explodiert?“
„Wie? Ja, die auch – nachdem ihr Versuchsplanet in die Luft geflogen ist undse jetzt ne neue Versuchsatmosphäre basteln muss.“
„Der ganze Planet?“ Gott konnte sein Kichern nicht mehr unterdrücken.
„Jau, der ganze. Mach keine halben Sachen, mach ich nich. Sehnse den Asteroidengürtel da?“ Luzie deutete ins All zwischen Mars und Jupiter.
Gott machte sich prustend (vor Lachen und vor Sand zwischen den Zähnen) auf den Weg zur Modellerde, wo er Gabriela mit einem Farbmusterbuch und einem Stapel mehr oder weniger zerknitterter und angesengter farbiger Papiere vorfand.
„Ach, die Kolleginnen haben ihre Farbvorschläge für unseren Erdhimmel eingereicht. Welche hat denn ... ahja, unschwer zu erkennen, von welcher Kollegin die einzelnen Vorschläge stammen.“ Gott verglich einen feuerroten Zettel mit einem Brandloch mit einem feng-shui-gerechten zerknüllten Blatt.
„Und natürlich hat wieder keine ein Farbprofil mitgeliefert, um zu gewährleisten, dass nachher auch genau die ausgewählte Farbe auf den Himmel gedruckt wird. Meiner Meinung nach könnte ohnehin alles so bleiben. Ein reines, sattes, absolut lichtloses Schwarz, weil von nirgendwo her Licht kommt. Sehr schön und einheitlich. Bis auf die Sonne. Die ist natürlich hell.“
„Schwarz. Hm. Macht das nicht depressiv? Und sehen Sie mal. Die von der Sonne beschienene Seite der Erde ist zwar hell, aber hier – hinter diesem Hügel. Da ist Schatten.“
„Natürlich ist da Schatten, Chef. Der Hügel schirmt die Sonnenstrahlen ab.“
„Ja, aber es ist ein absolut schattiger Schatten. Ich fände es hilfreich, wenn tagsüber auch im Schatten ein bisschen Licht wäre. Und ich fände einen helleren Himmel deutlich ästhetischer. Können wir da nicht was machen? Ich war gerade bei der Kollegin auf dem Mars ...“
„Oh ja, ich weiß genau, wie es jetzt auf dem Mars aussieht – Sand, Sturm und Staub. Hier dagegen ... aber nun gut. Eine Atmosphäre hatten wir ja ohnehin schon vorgesehen. Fangen wir also damit mal an.“
Gabriela zückte ihr Handy und orderte Gasflaschen aus dem Lager. Auf das natürliche Entstehen einer weiteren Modellatmosphäre zu warten, ließ der enge Zeitplan nicht zu. Laplacie kam auch sofort mit einem LKW voller Gasflaschen angebraust und entließ die Gase in den Erdhimmel.
„So – 78 % Stickstoff, 21 % Sauerstoff, ein bisschen – mal sehen ...“ Gabriela ließ zur Kontrolle lange Zahlenlisten über den Bildschirm wandern und verglich die mit der entstehenden Atmosphäre. „Sehr schön, die Atmosphäre ist perfekt!“
Gott und Laplacie ließen sich derweil neben dem Haufen leerer Gasflaschen nieder und beobachteten, was geschah. Das Sonnenlicht fiel nun also in die Atmosphäre. Nach und nach trafen die elektromagnetischen Wellen ein und bald prallte die erste auf ein Atmosphärenmolekül. Das zeigte sich höchstinteressiert an der Welle, die ja aus schwingenden elektrischen und magnetischen Feldern bestand. Solche schwingenden elektromagentischen Felder haben eine recht anregende Wirkung auf elektrische Ladungen, und so ein Molekül besteht ja aus positiv geladenen Kernen mit einer Wolke negativ geladener Elektronen darum herum – das Molekül, genauer gesagt, seine Elektronenwolke begann nun also selbst fröhlich zu schwingen. Da sich dadurch der Abstand zwischen Elektronen und Atomkernen ständig periodisch änderte, stellte das Molekül nun einen schwingenden elektrischen Dipol dar – mit anderen Worten: eine Antenne. Es sandte seinerseits nun also wieder eine elektromagnetische Welle aus, und zwar eine in derselben Frequenz wie die, die ursprünglich mal auf es getroffen war.
„Chef, gucken Sie mal. Die Welle, die da von dem Molekül da oben rechts ausgeht – nein, das da meine ich – also die Welle, die läuft nach da. Zu dem Felsen da hinter dem Hügel.“ Laplacie deutete in den Schatten hinter dem Hügel, der nun nicht mehr ganz so schattig war, weil da ja nun diese eine Welle hingelangt war. Und es blieb nicht die einzige.
„In der Tat, das sieht so aus wie das, was ich mir vorgestellt hatte. Das Licht kommt natürlich immer noch direkt von der Sonne, aber die Teilchen in der Atmosphäre lenken es aus dieser Richtung ab. Indem sie selbst erst von ihm zu Schwingungen angeregt werden und dann aufgrund dieser Schwingung eine neue Welle in eine andere Richtung aussenden. Die Frequenz der neuen Welle ist gleich der der alten, so dass man einfach sagen kann, die alte Welle wird durch die Teilchen abgelenkt. Gabriela – wie nennen wir diesen Vorgang? Streuung? In Ordnung, das klingt angemessen fachfrauisch. Durch diese Streuung kann nun auch Licht in den Schatten gelangen. Obwohl der Schatten natürlich immer noch dunkler ist als die Sonnenseite, da das meiste Licht immer noch direkt von der Sonne kommt. Das ist gut – oh, sieh mal. Nun ist er blau!“
Zufrieden betrachtete Gott den himmelblauen Himmel.
Da das Licht von den Atmosphärenmolekülen nun in alle möglichen Richtungen gestreut wurde, traf es nicht mehr nur direkt von der Sonne auf die Erdoberfläche und in Gottes Augen, sondern aus allen möglichen „Himmelsrichtungen“. Gleichgültig, wohin er sah, von überall kam blaues Licht und der Himmel war nun nicht mehr schwarz, sondern schön hell.
„Wieso eigentlich blau?“ Laplacie holte eine Himmelsleiter, um sich die Vorgänge da oben genauer anzusehen. „Wir hatten das Sonnenlicht doch weiß gemacht? Dann müsste doch auch der Himmel weiß sein.“
„Ach so“, stellte er fest, nachdem er eine Weile Moleküle und Lichtwellen beobachtet hatte. „Das blaue Licht wird viel stärker gestreut als die anderen Wellenlängen. Die anderen Farben kommen nach wie vor überwiegend direkt von der Sonne. Die sieht ja auch noch halbwegs weiß aus.“ Er blinzelte kurz hinüber (nicht ohne Schutzbrille, versteht sich).
Plötzlich erhob sich ein Sandsturm. Gott achtete darauf, den Mund geschlossen zu halten, bis sich die Sandwolke gelegt hatte und Michaela freigab, die am Kopfende einer langen Bremsspur im Sand saß, aber sofort aufsprang und arm- und flügelwedelnd protestierte. „Halt, halt, das können Sie doch nicht so lassen!“
„Und warum bitte nicht?“ Gabriela warf der Kollegin einen entnervten Blick zu.
„Na, sehen Sie doch – der Himmel ist ganz blau!“
„Aber ja, das liegt an der Streuung – blaues Licht ...“
„Papperlapapp – dieses Blau ist viel zu kühl! Wir brauchen ...“
Der Vulkan nebenan begann, flüssige Lava zu spucken und kurz darauf purzelte Luzie aus dem Krater.
„Rot!“ brüllte sie und wedelte die Rauchwolken weg. „Wir brauch‘n‘n roten Himmel! So wie da hinten auf dem Mars da! Iss‘n irres Rot!“
„Rot!“ Michaela war fassungslos. „Rot macht die Bewohner aggressiv! Die bringen sich alle um!“
„Das, werte Kollegin“, Gabriela zog die Brauen hoch und bemühte sich demonstrativ um Ruhe, „wäre ja durchaus von Vorteil. Aber für einen roten Himmel müsste die Atmosphäre Staub enthalten. Und das, hochverehrte Kolleginnen, kommt überhaupt nicht in Frage! MEINE ATMOSPHÄRE BLEIBT SAUBER!“
„Mann, ey, war ja nur ne Idee!“ Luzie hockte sich auf einen abkühlenden Lavabrocken, ließ den Pferdefuß baumeln und holte ihre Zigaretten hervor.
Michaela aber war nicht zu bremsen. Ihr Zeigefinger schoss auf Gabriela zu. „Was die Bewohner brauchen, ist eine neutrale Farbe! Weiß – das müssten Sie doch hinkriegen! Dass kann doch nicht so schwer sein!“
Garielas Make-up war zum Glück so perfekt, dass die beginnende Zornesröte nicht zu sehen war. Ihre Ruhe wirkte jedoch leicht gezwungen, als sie nun Laplacie anwies, eine Sauerstoff- und eine Wasserstoffflasche zu suchen, um die Atmosphäre mit Wasser anzureichern, zum Zwecke der Wolkenbildung.
Er öffnete erst die Sauerstoff-, dann die Wasserstoffflasche.
Im selben Moment blies Luzie Feuer, um ihre Zigarette anzuzünden.
Die Anzahl Asteroiden im Asteroidengürtel verdoppelte sich.
Es nahm etwas Zeit in Anspruch, bis Gabriela ihre Frisur wieder geordnet, Laplacie die Reste der Wasserstoffexplosion zusammengefegt und in die braune Tonne zur Kompostierung entsorgt und den nunmehr 687. Modellplaneten mit einer Atmosphäre ausgestattet hatte. Hilfsbereit lenkte Gott die feurige Kollegin ab, indem er sich die diversen Explosionen nochmal genau erläutern ließ, bis Gabriela die Modellatmosphäre mit Wasserdampf angereichert hatte und die erste Schichtwolke sich über der Erde bildete. Stirnrunzelnd betrachtete Gott den weißen Himmel, durch den eine blasse Sonne schimmerte. Laplacie krabbelte wieder die Himmelsleiter hinauf.
„Und – was siehst du?“
„Naja, Chef, die Wassertropfen der Wolke sind ganz schön groß. Also im Vergleich zu den Molekülen, meine ich. Die Moleküle sind viel kleiner als die Lichtwellenlänge. Diese Tropfen hier sind aber mindestens genauso groß wie die Lichtwellenlänge, die ganz großen – die ganz großen sind sogar um einiges größer. Und weil die Tropfen so groß sind, hängt die Streuung an ihnen offenbar von der Größe der Tropfen ab. Und die Wassertropfen hier in der Wolke, die sind eben ganz schön unterschiedlich groß. Der hier ...“ Er stupste einen Tropfen an. „Also der hier streut eher gelbes Licht. Und der da, der streut grünes Licht. Jeder streut hier was anderes. Deshalb kommen alle Farben aus allen Richtungen.“ Laplacie sah sich um, bis er alle Wassertröpfchen der Himmelshalbkugel gemustert hatte. „Und alles zusammen ergibt dann eben einen weißen Himmel.“
„Sagen Sie, verehrte Gabriela – ist dieses Weiß nicht ein wenig zu eintönig? Wollen wir nicht doch lieber etwas bunteres? Das Himmelblau zum Beispiel?“
Wie von der Tarantel gestochen fuhr Gabriela herum. „Ach, haben der Herr etwa auch noch Sonderwünsche?“ fauchte sie. „Ich versuche hier einen Himmel zu bauen – aber ständig hat einer was zu meckern! Erst lasse ich ein paar Gase in die Atmosphäre – und der Himmel wird sehr schön blau, wie wir es besprochen haben. Dann kommt die Kollegin aus der Hölle und will unbedingt einen roten Himmel haben. Unsere hochverehrte Michaela will dagegen eine neutrale Farbe. Ich reichere also etwas Wasser an, damit Wolken am Himmel stehen – und jetzt kommen Sie und wollen wieder Blau?“
Vor Wut versagte ihre Stimme. Ihre Flügel flatterten heftig, die dünne weiße Wolkenschicht wurde durcheinandergewirbelt, es kam zu heftigen Aufwinden, eine Cumulunimbuswolke bildete sich, wurde mächtiger und mächtiger, bis sich eine dunkle Sturmwolke am Himmel ballten.
„Hören Sie sofort auf!“ kreischte Michaela. „Da bekommt man ja Depressionen bei dem Grau!“
„Ähm, meine Damen ...“ versuchte Gott zu Wort zu kommen. „Das lässt sich doch irgendwie regeln!“
Gott schob die Wolken beiseite. „Sehen Sie doch mal – so ein schönes Blau! Wir – huch! Wieso wird es denn jetzt gelb?“
Die Dämmerung hatte eingesetzt, die Sonne färbte sich zunehmend rot.
„Das waren Sie, Kollegin!“ kreischte Michaela hysterisch. „Mit dem ständigen Farbwechsel haben Sie die Sonne kaputtgemacht! Jetzt ist sie ganz rot!“
Gabriela schloß die Augen, zählte bis zehn, befahl sich, ganz ruhig zu bleiben und setzte zu einer Erklärung an. „Meine hochverehrte Kollegin – das hat was mit der Streuung des Lichtes zu tun. Wenn die Sonne tief am Horizont steht, ist der Lichtweg durch die Atmosphäre länger und es wird mehr Licht aus dem direkten Strahl von der Sonne heraus gestreut. Übrig bleibt nur das rote Licht, weshalb die Sonnenscheibe nun rot zu sein scheint. Es sieht aber nur so aus, weil nur das rote Licht auf direktem Weg von der Sonne in Ihre Augen fällt. Ich versichere Ihnen, dass die Sonne selbst völlig unversehrt und unbeschadet ...“
Luzie unterbrach sie völlig unbeeindruckt von dem lehrreichen Vortrag. „Also doch rot. Warum nich gleich so – sieht doch super aus!“
„Was wollen Sie denn schon wieder – fahren Sie zur Hölle!“
„Sofort – aber eins will ich noch wissen: das is also der Staub, der den Himmel auf dem Mars so irre rot macht?“
„Eh – ja – aber seit wann interessiert Sie denn das?“
„Och – nur so – eigentlich gar nich.“
Luzie drehte sich um und hüpfte in den Vulkan. Kurz darauf begann der zu qualmen und es stank fürchterlich nach Schwefel. Asche und Staub verteilten sich in der Luft und färbten den Himmel um die untergehende Sonne intensiv rot.
„Na, das sieht ja vielleicht dramatisch aus.“ Gott holte seinen Fotoapparat aus der Gewandtasche und machte das erste romantische Sonnenuntergangsfoto des Universums. Anschließend vergrößerte er es soweit, dass er die Lichtstreuung verfolgen konnte. Es war, wie er erwartet hatte. Der Vulkanstaub streute das Licht aus dem Strahl direkt von der Sonne heraus – und da das in der Dämmerung hauptsächlich rotes Licht war, war nun auch der Himmel um die untergehende Sonne herum schön rot.
Gabriela hatte wie üblich wenig Sinn für Romantik oder Dramatik. „Luzie! Hören Sie sofort auf, meine Atmosphäre zu verschmutzen!“
Luzies Kopf erschien über dem Krater, sie stützte den Kopf auf und wackelte vergnügt mit den Hörnern. „Sieht doch klasse aus, das Rot!“
„Also meine Damen, bitte – wir können doch eine Mischung aus allem machen“, versuchte Gott, den himmlischen Frieden zu retten. „Mal blau, mal weiß, mal rot ...“
„Sonst noch was, Chef?“ brüllte Gabriela. „Als nächstes verlangt noch jemand grün!“
„Naja, so ein bisschen grünlich ist es da zwischen dem Blau und dem Rot.“ Laplacie deutete auf den Horizont, hinter dem die Sonne inzwischen verschwunden war. „Aber wieso ist es noch nicht dunkel? Die Sonne ist doch schon weg!“ Seufzend betrachtete er die Himmelsleiter. Musste er schon wieder da rauf, um sich alles anzusehen?
„Nee, lass mal.“ Gott hatte seinen Blick richtig gedeutet und zeichnete ein Bild. „Das können wir jetzt aus den bisherigen Beobachtungen ableiten, wieso es eine Dämmerung gibt. Hat nämlich auch mit Streuung zu tun. Die Kontrollbeobachtung, ob unsere Herleitung auch stimmt, kannst du morgen machen. Oder wenn dein Muskelkater vorbei ist. Wenn die Sonne hinter dem Horizont steht, kann uns ihr direktes Licht nicht mehr erreichen – aber in höhere Atmosphärenschichten gelangt noch Sonnenlicht. Und von da wird es dann hierher zur Erdoberfläche gestreut. Deshalb ist es auch nach Sonnenuntergang noch eine Weile hell.“
Luzie war noch nicht hundertprozentig zufrieden mit den Entwicklungen des heutigen Forschungstages und als immer konstruktiv denkende Mitarbeiterin unterbreitete sie auch gleich Verbesserungsvorschläge. „Is ja man trotzdem ganz schön öde. So ödes Blau überall und nur so‘n bischen rot. Und dann öde dunkel. Woll‘nwer nich‘n bischen Grafitti sprühn?“ Sie führte rechts neben dem großen Wagen vor, was in etwa sie sich vorstellte.
Gabriela verzichtete auf einen Kommentar, drehte sich um und verschwand auf dem Mond, einem Himmelskörper gänzlich ohne Atmosphäre. Sie sah in einen beruhigend schwarzen Himmel mit Sternen und einer weißen Sonne und begann ein Gesuch um eine Versetzung in ein Paralleluniversum zu verfassen. Weit kam sie nicht, bevor die Sonne unterging und der Mond abrupt und dämmerungslos in totale – und eisige – Finsternis versank.
© Wiebke Salzmann, Juni 2012
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