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Mond durch ein Teleskop betrachtet (30-fache Vergroesserung)

Gezeiten – Geschichte

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Probleme mit Zeiten und Gezeiten

Michaela, die Assistentin für alles Philosophische und Psychologische, Yoga und Wellness. Chronisch unfrisiert liebt sie alles Chaotische, Kreative und möchte deshalb natürlich Leben im Universum haben.
Luzie, die Assistentin aus dem Untergeschoss, zuständig für alles Brennbare und Explosive, ist der Untergang aller Ordnung und Symmetrie und der Ruin der Nerven ihrer Kolleginnen.
Laplacie, der Laplacesche Dämon, der als fleißiger HiWi immer für Ordnung sorgt und für den nur die Quantenmechanik schlimmer ist als das Aufeinandertreffen aller drei Kolleginnen.
Gott, der Chef, der mit unerschütterlicher Ruhe die Kolleginnen und ihre Arbeiten dahin lenkt, wo er sie hinhaben will, zu einer funktionierenden Physik und irgendwann der Entstehung von Bakterien, Quallen, Nashörnern und anderen Lebewesen.
Gabriela, die Assistentin für Naturwissenschaften. Stets exakt frisiert hält sie hochsymmetrische Zustände für den Inbegriff von Schönheit und steht der Idee, Leben und das damit verbundene Chaos im Universum entstehen zu lassen, mit Skepsis, um nicht zu sagen, tief empfundenem Abscheu gegenüber.

„Wow – ein Mond!“ rief Luzie.
„Eine Kreisbewegung im Gravitationsfeld! Schön!“ seufzte Laplacie. „Chef, das war wirklich eine prima Idee.“
„Nicht wahr? Wir müssen den armen schlaf- und zeitlosen Kolleginnen schließlich irgendwie helfen. Die Tageslänge auf dieser Modellerde ändern. Verlängern. Dann hätten wir auch mehr Zeit zum Fußballspielen. So geht ja schon nach noch nicht einmal zwei Spielen die Sonne unter. Ich kann ja nicht die Spiellänge ändern. Jeder weiß schließlich, dass ein Spiel 90 Minuten dauert.“
Weder Luzie noch Laplacie hatte auch nur ein Wort begriffen. Luzie hatte es eigentlich auch nicht versucht.
Man beobachtete den Mond jetzt schon seit einigen Mondumläufen (während derer Laplacie die Mondphasen analysierte und ab und zu ein bisschen hier und da schob, um die ein oder andere Finsternis zu erzeugen und zu untersuchen), als Michaela herbeiwankte, immer noch – oder schon wieder – völlig übermüdet.
„Es ist furchtbar! Wenn jetzt auch noch der Vollmond scheint, kann ich gar nicht mehr schlafen!“ stöhnte Michaela, um anschließend entgegen ihrer Ankündigung da, wo sie stand, in den Tiefschlaf zu fallen. Gabriela murmelte etwas über Leute, die nicht wissen was sie wollen – erst helle Nächte und dann lieber doch nicht, und wandte sich den nächsten Forschungsvorhaben zu. Gott beobachtete den frisch erschaffenen Mond einige Tage scharf und als er sicher war, dass sein Plan aufging und der Mond sich langsam aber sicher von der Erde entfernte, sauste er mit Luzie und Laplacie auf das interplanetare Spielfeld, um sich endlich dem Spiel zu widmen.
Aber es klappte nicht, er war eindeutig nicht bei der Sache. Von hundert Bällen hielt er nicht einen einzigen, weil er ständig mit eineinhalb Augen auf den Mond und die Modellerde schielte. Luzie hatte schließlich die Nase voll und stellte Laplacie ins Tor. Flugbahnen klassischer Körper waren sein Element, und in den nächsten drei Wochen gelang niemandem mehr ein Tor, bis Luzie entnervt aufgab und die Tore komplett abschaffte.
Dann fiel auch noch Laplacie aus, weil er entdeckt hatte, das die Mondgravitation die Wassermassen der Ozeane verformte – und nicht nur das, sonder auch den festen Erdkörper. Er holte ein Maßband und kontrollierte die Verformung über mehrere Monate. Luzie fand die Regelmäßigkeit der Gezeiten absolut uncool und fuhr hinab zur Hölle.
Am nächsten Morgen erschien eine sichtlich verwirrte Gabriela am Frühstückstisch.
„Etwas Kaffee, meine Liebe? Vielleicht haben Sie ja heute etwas mehr Zeit?“ fragte Gott äußerst liebenswürdig.
„Nein, ich habe überhaupt keine Zeit – es gibt seit fünf Monaten ein neues Problem! Meine Atomuhr geht falsch! Sehen Sie!“ Sie hielt Gott ihre Armbanduhr unter die Nase. Gott betrachtete sie interessiert. „In der Tat, sie scheint 1 ns gegenüber der Erdrotation vorzugehen. Sowas aber auch!“
„1,2782 Mikrosekunden!“ berichtige Gabriela. „Und das innerhalb von nur fünf Monaten.“
„Wie?“ stöhnte Michaela. „Ich bin auch noch eine Mikrosekunde zu früh aufgestanden?“ Ihr Kopf knallte auf die Tischplatte.
„Ohje, Sie Ärmste! Am besten legen Sie sich gleich wieder hin! Und Sie, hochverehrte Gabriela, sollten sich über den unverhofften Zeitgewinn freuen!“
„Freuen? Über eine defekte Uhr?“
Es wurde noch schlimmer. Jeden Tag ging die Präzisionsuhr um weitere hundertstel Mikrosekunden nach. Gabriela kam aus dem Grübeln kaum noch heraus, rechnete die gesamte Atom- und Kernphysik nach, um den Fehler in ihrer Atomuhr zu finden. An ihre eigentlich geplanten Experimente zu Evolution und Klimaentwicklung auf jungen Planeten war nicht zu denken.
Auch Laplacie konnte sich nicht mehr recht auf das Fußballspiel konzentrieren. Mitten in einem Angriff verließ er plötzlich das Spielfeld und starrte den Mond an, wandte sich zur Modellerde um und starrte die an. Dann zupfte er an Gottes Gewand. „Chef – es ist gar nicht die Atomuhr. Es ist die Erdrotation! Seit der Mond die Gezeiten ...“
Blitzschnell hielt Gott ihm den Mund zu.„Pssst! Wir wollen doch mal sehen, wie lange die liebe Kollegin braucht, um dahinter zu kommen!“ raunte er mit Verschwörermiene.
Von nun an war das Fußballspiel nur noch Tarnung. Nie zuvor hatte sich Gabriela so großer Aufmerksamkeit erfreut. Nur merkte sie nichts davon. Inzwischen war sie bei den Details der Elementarteilchenphysik angekommen, ohne jedoch auch nur im Entferntesten eine Lösung in Sicht zu haben. Derweil ging ihre Atomuhr beinah doppelt so schnell. Laplacie dagegen stellte fest, dass die Erdrotation sich auf die halbe Geschwindigkeit verlangsamt hatte. Michaela, ohnehin völlig unbelastet von Dingen wie Uhrzeiten oder Terminen, suchte sich einen hübschen Strand und genoss die langen Nächte, um endlich auszuschlafen.
Gott und Laplacie beobachteten die ratlose Gabriela.
„Chef, da läuft zweimal am Tag eine Welle unter ihr durch – sie muss doch merken, dass sich die Erdoberfläche jedesmal um 30 cm hebt und senkt! Wieso kommt sie nicht auf die richtige Idee?“
„Du hast recht. Wir sollten ihr noch einen Hinweis geben. Sie ist ja völlig auf der falschen Spur.“ Gott zog sein Laptop aus der Gewandtasche.
Luzies Interesse war spontan erwacht. „Klasse – n neues Game?“
„Aber nein, eine Raubkopie von Gabrielas Simulationsprogramm, hm, Gezeiten in realen Ozeanbecken, hm ...“
„Nee, das is langweilig, ich will Action! Irgendwas – schläft die liebe Michaela nich eigentlich schon zu lang? Dann kannse heute Abend wieder nich einschlafen! Da kamman doch bestimmt was machen!“
„Aber natürlich kann man da was machen, liebe Luzie, graben sie doch mal ungefähr – hier – wenn Sie hier im Erdmantel die Strömung ein wenig verändern, sagen wir etwa so ... dann müsste doch dieses Meer dort flacher werden ...“
„Wie? Das, wo die Kollegin am Strand liegt und pennt?“
„... und wenn wir die Küstenform ein wenig – kriegen Sie das hin?“
„Logo, Chef! Und davon wird se wach?“
„Oh, der Tidenhub ist von der Form der Meeresbecken abhängig! Auf dem offenen Ozean sind es ja nur lächerliche 50 cm, aber man kann über die Küstenform und sowas den Tidenhub in einem kleineren Meeresbecken auf 10 cm verringern!“ Laplacie änderte die Randbedingungen der Ostsee ein wenig und war selig. „Und hier ...“ Er nahm sich jetzt die Nordsee vor. „Gucken Sie mal, hier kriegen wir bis zu 4 m Tidenhub hin.“
„Hm. Macht das Spaß? Darf ich auch mal? So etwa?“ Luzie studierte den Bildschirm und drehte noch ein wenig an den Parametern.
„Luzie, bitte! Nicht übertreiben! Ein Tidenhub von 234 m ist wirklich nicht nötig!“ Gott korrigierte den Tidenhub wieder auf 3 m.
Nach abgeschlossener Simulation wurde das Experiment in die Tat umgesetzt. Eine Flutwelle rollte mit dem aufgehenden Vollmond über Michaela und Gabriela hinweg. Als die Ebbe einsetzte, nahmen Laplacie und Luzie Deckung hinter dem Mond. Aber der Entrüstungssturm blieb aus.
Michaela war wach, tropfnass und restlos hingerissen. Sie betrachtete fasziniert den braunen Matsch, der sich vor ihr dehnte. „Watt! Ein Wattenmeer! Ein einzigartiges Biotop! Und ich kann jetzt eine Wattwanderung machen!“ Begeistert stapfte sie los.
„Wattenmeer?“ Gabriela dämmerte etwas. Sie föhnte hastig ihr Laptop trocken und startete Simulationen zum Drehimpulserhaltungssatz. „Ebbe? Flut? Gezeiten? Gott sei Dank! Meine Atomphysik hat keinen Defekt! Es ist bloß die Gezeitenreibung, die die Erde abb...“
Der Rest ging in der nächsten Flutwelle unter.

© Wiebke Salzmann, Juni 2012

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