Am 15. Januar 2007 bildete sich über Neufundland ein Tiefdruckgebiet, das sich zu einem Orkantief entwickelte und am 18. Januar Mitteleuropa erreichte. Es erhielt den Namen Kyrill (und zwang uns, unsere Semesterabschlussfeier im Literaturhaus Kuhtor in Rostock zu verschieben). Während des Tages sank der Luftdruck auf unter 970 hPa (966 hPa um 21.00 Uhr; gemessen in Mönchhagen bei Rostock).
Zunächst hier noch einmal die Grafik zur Entstehung von Tiefdruckgebieten – siehe hierzu auch die Seite „atmosphärische Zirkulation“.
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Entstehung eines Tiefdruckgebietes
- Abb. 1a ¦ Entstehung eines Tiefdruckgebietes
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Bildunterschrift
Oben: An der Grenze zwischen polarer Kaltluft und subtropischer Warmluft bilden sich im polaren Jet Ausbuchtungen aus. Kaltluft bedeutet ein Höhentief, Warmluft ein Höhenhoch – durch die „Beulen“ werden die Druckgebiete näher zueinander gebracht, wodurch der Druckgradient steiler wird. Dadurch wird die Windgeschwindigkeit erhöht, was auf der einen Seite der Kaltluftbeule zu einem Massenstau und auf der anderen Seite zu einer Massenabnahme führt. Beides wirkt sich auf den Luftdruck am Boden aus – die Massenabnahme hat eine Druckentlastung, also ein Tiefdruckgebiet am Boden (grauer Punkt) zur Folge, der Massenstau ein Hochdruckgebiet am Boden (weißer Punkt). Diese Druckgebiete am Boden bilden den subtropischen Hochdruckgürtel beziehungsweise die subpolare Tiefdruckrinne.
Die Höhenhochkeile und Höhentiefs (Höhentröge genannt) treten mehr oder weniger immer an der gleichen Stelle auf (bedingt durch geografische Gegebenheiten), weshalb auch die Bodentiefs und -hochs immer an ähnlichen Orten entstehen – bekannt sind das Islandtief oder das Azorenhoch. Mit der Strömung des polaren Jets werden sie dann ostwärts geschleppt. Bildunterschrift Ende
- Abb. 1b ¦ Entstehung eines Tiefdruckgebietes
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Bildunterschrift
Unten: Am Boden verläuft die Luftbewegung wegen der Coriolis-Kraft wirbelförmig um das Tief (weiße Pfeile), die Fronten der Kaltluft- (weiße Dreiecke) und Warmluftmassen (weiße Halbkreise) drehen sich so ebenfalls um das Tief. Die Kreise stellen Linien gleichen Druckes dar – so genannte Isobaren. Bewegt man sich längs eines Kreises, bleibt der Luftdruck konstant; bewegt man sich senkrecht zu den Kreisen (also radial vom Tief weg oder auf es zu), ändert sich der Luftdruck am schnellsten.Bildunterschrift Ende
Mein Mann hat im Garten eine Wetterstation, die Luftdruck, Windgeschwindigkeit, Windrichtung, Temperatur und Niederschlag aufzeichnet. Bei der Interpretation der Daten muss man berücksichtigen, dass die Aufstellung der Station nicht hunderprozentig den Standards entspricht; dass besonders die Windmessungen durch die umstehenden Häuser beeinträchtigt werden – obwohl unser Haus am Dorfrand liegt, wird vor allem Westwind durch das Nachbarhaus abgeschirmt. (Genau genommen stimmt auch die zeitliche Zuordnung noch nicht vollkommen, weil unterschiedliche Daten verwendet wurden – Mittelwerte oder Momentanwerte – aber bei der hier dargestellten zeitlichen Auflösung spielt das keine Rolle, da es sich nur um wenige Minuten handelt.) Zur Einordnung der Messung muss noch erwähnt werden, dass Mönchhagen an der Ostseeküste liegt, knapp 10 km östlich von Rostock. Das Zentrum des Tiefs zog also nördlich von unserer Wetterstation durch. Ich will nun versuchen, die Messungen anhand von Abbildung 1b zur Entstehung von Tiefdruckgebieten zu interpretieren. Dazu müssen wir uns vorstellen, dass dieses Gebilde aus Warm- und Kaltfronten mehr oder weniger ostwärts im Norden an uns vorbeizieht. Das Ganze kann natürlich nur eine grobe Abschätzung werden. Sollte jemand noch Hinweise auf Fehler oder Verbesserungsvorschläge haben, nehme ich die gern entgegen!
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Messungen der meteorologischen Daten
- Abb. 2 ¦ Luftdruck
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BildunterschriftBeim Luftdruck würde man erwarten, dass er bei Annäherung des Tiefs fällt und nach Durchzug des Tiefs wieder ansteigt. Da es sich hier um ein Sturmtief, um nicht zu sagen, Orkantief handelt, erwarten wir einen hohen Druckgradienten (also einen starken Druckabfall), der entsprechend hohe Windgeschwindigkeiten hervorrufen kann. Das sehen wir im Wesentlichen auch: Am frühen Morgen des 18. Januars (gegen 1.00 Uhr) begann der Luftdruck zu fallen, das Minimum betrug um 21.00 Uhr 966 hPa. Es handelt sich um Momentanwerte, die alle 10 Minuten gespeichert wurden.
Nach Abbildung 1b sollte die Warmfront vor dem Druckminimum eintreffen; während ihres Durchzuges sollte der Druck also weiter fallen. Die Kaltfront sollte in etwa gleichzeitig mit dem Druckminimum eintreffen, während ihres Durchzuges sollte der Luftdruck also wieder ansteigen. Das blaue Rechteck markiert die vermutete Kaltfront, das rote die Warmfront (siehe nächste Abbildung).Bildunterschrift Ende
- Abb. 3 ¦ Temperatur
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BildunterschriftBeim Durchzug der Warmfront erwartet man einen Temperaturanstieg, dahinter sollte die Temperatur konstant hoch bleiben oder noch weiter ansteigen und mit dem Eintreffen der Kaltfront sollte sie wieder fallen. Einen starken Temperaturanstieg sehen wir zwischen etwa 11.00 Uhr und 16.00 Uhr am 18. Januar von 5 °C auf 11 °C. Kurz darauf fällt sie wieder, mit zwei Unterbrechungen bis 23.00 Uhr auf unter 6 °C. Dargestellt sind 10-Minuten-Mittel.
Die Warmfront ist Internetquellen zufolge gegen Mittag in Nordostdeutschland gewesen – was sehr schön zu den Messungen passt. Der Vergleich mit der Luftdruckkurve zeigt, dass während des Temperaturanstieges der Druckabfall recht schnell ablief.
Die Kaltfront war den Quellen zufolge gegen 19.00 Uhr in unserer Gegend, so dass der leichte Temperaturabfall zwischen 16.00 und 19.00 Uhr in den Warmsektor fallen würde. Der ungefähre Durchzug von Warm- und Kaltfront ist mit einem roten beziehungsweise blauen Rechteck markiert.
Dass der Warmsektor so schmal ist, passt gut zu dem sehr geringen Druck im Minimum – dass der Druck auf 966 hPa absinkt, bedeutet, dass das Zentrum des Tiefs nicht weit entfernt ist; weshalb auch der Punkt, an dem Warm- und Kaltfront aneinanderstoßen nicht weit ist. Ein schmaler Warmsektor ist also zu erwarten.Bildunterschrift Ende
- Abb. 4 ¦ Windgeschwindigkeit
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BildunterschriftDer Wind sollte während des Durchzuges eines Tiefs mit seinen Fronten zunehmen – was er auch tut. Je größer der Druckunterschied zwischen Hoch und Tief ist, desto stärkere Winde werden in Gang gesetzt, die dann kreisförmig um die Druckgebiete herumwehen. Bereits während des Durchzuges der Warmfront nimmt die Windgeschwindigkeit zu. Mit der Kaltfront treten dann auch Sturmböen auf – was auch zu erwarten war, da wegen der vordringenden Kaltfront die Luftschichtung instabil wird und es zu vertikalen Luftbewegungen mit Bildung von Schauern und Gewittern kommt. Zur Windstärke siehe auch die Bemerkung oben zur Zuverlässigkeit der Messung zwischen den Häusern. Wir haben kurz vor 22.00 Uhr ein Maximum von 82 km/h gemessen.
Dargestellt sind hier jeweils die Maxima eines Messzeitraums von 10 Minuten.Bildunterschrift Ende
- Abb. 5 ¦ Windrichtung
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BildunterschriftIn Abbildung 1b sieht man schon, dass der Wind mit dem Durchzug der Warmfront aus südlichen Richtungen weht (weiße Pfeile in Abbildung 1b), in der Kaltfront aus westlichen Richtungen. Das gibt die Kurve auch halbwegs wieder.
Dargestellt sind 10-Minuten-Mittel.Bildunterschrift Ende
- Abb. 6 ¦ Niederschlag
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BildunterschriftDie Niederschläge passen nicht so recht ins Schema. Man würde während des Durchzuges der Warmfront Dauerregen erwarten – was hier auch zu sehen ist, wenn auch in geringer Intensität. Der mit der Kaltfront zu erwartende heftige Niederschlag fehlt völlig. Der vorhergesagte Starkregen, der andernorts ja auch durchaus gefallen ist, ist an Mönchhhagen vorbeigegangen. (Womit wir auch gleich sehen, dass nur eine Messstation zur Dokumentation eines so ausgedehnten Wetterereignisses nicht ausreichend ist.)
Dargestellt sind die Summenwerte der 10-Minuten-Intervalle.Bildunterschrift Ende
Mehr Informationen
zu Kyrill und anderen Sturmtiefs:
www.wetteran.de
Private Internetseite von Felix Welzenbach zur Meteorologie, unter anderem zu Sturmtiefs
www.meteomedia.ch
Internetseite des privaten Wetterdienstleisters Meteomedia AG mit Informationen zur besonderen Wetterlagen und Unwettern der letzten Jahre (unter dem Menüpunkt „Forschung und Entwicklung“).
© Wiebke Salzmann, April 2009
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