freie Lektorin und Autorin
Auf dieser Seite erwarten Sie die vielleicht beeindruckensten Leuchterscheinungen der Atmosphäre.
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Die Sonne sendet einen ununterbrochenen Strom aus Elektronen und Protonen und ein wenig Helium aus, den so genannten Sonnenwind. Da die Erde ein Magnetfeld hat – man spricht von der Magnetosphäre – können die Sonnenwindteilchen nicht bis zur Erdoberfläche vordringen.
Das hat folgenden Grund: Die Teilchen sind elektrisch geladen und treffen „vor“ der Erde auf Magnetfeldlinien, die nordwärts gerichtet sind, also senkrecht zur Flugbahn der Teilchen. Bewegen sich elektrisch geladene Teilchen senkrecht zu einem Magnetfeld, wirkt die Lorentzkraft, die die elektrisch geladenen Teilchen ablenkt – und zwar senkrecht sowohl zu ihrer ursprünglichen Bahn als auch senkrecht zum Magnetfeld. Die Sonnenwindteilchen werden also um die Magnetosphäre herumgeleitet.
Der Sonnenwind schleppt seinerseits ein Magnetfeld mit. Unter bestimmten Bedingungen kann es nun zu Verschmelzungen zwischen den Feldlinien des Sonennwindmagnetfeldes und denen der Magnetosphäre kommen. Entlang dieser verschmolzenen Feldlinien (parallel zum Magnetfeld können sich auch elektrisch geladene Teilchen bewegen) können die Sonnenwindteilchen nun in die Magnetosphäre eindringen; dort sammeln sie sich in der Plasmaschicht. Aus der Plasmaschicht fließen elektrische Ströme parallel zu den magnetischen Feldlinien in die Ionosphäre. Dort stoßen die einfallenden Elektronen mit Atomen der Erdatmosphäre zusammen und regen diese zum Leuchten an, indem sie deren Elektronen auf höhere Bahnen anregen. Fallen die Elektronen wieder in den Grundzustand, geben sie die überschüssige Energie als Licht ab – und man sieht ein Polarlicht.
Die Feldlinien, auf denen die Elektronen in die Ionosphäre einfallen, münden in zwei Ovalen rund um die Pole, den so genannten Polarlichtovalen, ca. 200–1000 km breite Bänder um die Pole. Dort kann man am sichersten Polarlichter beobachten. Bei starker Sonnenaktivität ist der Sonnenwind schneller und böiger und seine Teilchendichte steigt. Dann wird die Magnetosphäre regelrecht zusammengedrückt, wodurch sich die Fußpunkte der Feldlinien auf der Erdoberfläche in Richtung Äquator verschieben. Dann haben wir auch in unseren Breiten unter Umständen das Glück, ein Polarlicht zu sehen.
Das Erdmagnetfeld ist mehr oder weniger ein Dipolfeld, dessen Südpol in der Nähe des geografischen Nordpols liegt, und dessen Nordpol sich in der Nähe des geografischen Südpols befindet. Wie man heute annimmt, wird der Hauptteil (ca. 95 %) des Erdmagnetfelds von Strömen im eisenhaltigen flüssigen äußeren Erdkern erzeugt. Der Rest rührt von elektrischen Strömen in Ionosphäre und Magnetosphäre her.
Zwei Kräfte treiben die Eisenströme im Erdkern an – zum einen die Rotation der Erde und die aufgrund dieser Rotation auftretenden Corioliskräfte, zum anderen die Konvektionsströmungen, die aufgrund der Wärme im Erdinneren entstehen (siehe: Erdaufbau). Aus kleinen anfänglichen Instabilitäten konnte sich über Selbstinduktion ein stabiles Magnetfeld aufbauen. Wie das im Detail funktioniert, ist allerdings noch nicht endgültig geklärt.
Man nennt das Erdmagnetfeld auch Magnetosphäre.
Für die Entstehung der Polarlichter ist neben der Magnetosphäre der Sonnenwind verantwortlich, genauer gesagt, die Wechselwirkung zwischen beiden.
Wegen der Hitze in der Sonnenkorona dehnt diese sich aus, und zwar so stark, dass die Gravitation der Sonne sie nicht zusammenhalten kann – deshalb verlässt ununterbrochen ein Strom aus Elektronen und Protonen und ein wenig Helium die Sonnenoberfläche – diesen Strom aus geladenen Teilchen nennt man Sonnenwind (dicke dunkelrote Pfeile in Abb. 1). Er füllt das gesamte Planetensystem aus. Seine Geschwindigkeit beträgt ca. 300–800 km/s, für die Entfernung von der Sonne bis zu Erde braucht er also um die 100 Stunden.
Wenn der Sonnenwind von der Sonnenoberfläche abströmt, nimmt er das Magnetfeld der Sonne mit (schwarze Feldlinien in Abb. 1). Der Sonnenwind besteht aus geladenen Teilchen, ist also ein Plasma. Besitzt ein Plasma ein Magnetfeld, sind beide aneinander gebunden, man sagt auch: Das Magnetfeld ist im Plasma eingefroren. Das bedeutet, Teilchen und Magnetfeldlinien sind aneinander „gefesselt“. Zum einen kann daher das Sonnenmagnetfeld das Sonnenwindplasma nicht so ohne weiteres verlassen und wird daher als interplanetares Magnetfeld (IMF) vom Sonnenwind von der Sonne ausgehend durch das Planetensystem geschleppt.
Zum anderen kann aber auch das Plasma nicht einfach das Interplanetare Magnetfeld verlassen und in anderes Magnetfeld eindringen, wie bspw. in das Erdmagnetfeld – jedenfalls nicht quer zu den Magnetfeldlinien, wie es beim Auftreffen des Sonnenwindes auf die Magnetosphäre der Fall wäre (siehe nächster Abschnitt Eingefrorene Feldlinien). Das anströmende Sonnenwindplasma muss also um das Erdmagnetfeld herumströmen. Dabei verformt der Sonnenwind aber die Magnetosphäre (rote Feldlinien in Abb. 1), indem er sie auf der sonnenzugewandten Seite zusammendrückt (die Magnetosphäre ist hier etwa 10 Erdradien dick) und auf der sonnenabgewandten Seite zu einem sehr langen, nämlich über 1000 Erdradien lang, Schweif auseinanderzieht (hier nur zum Teil gezeichnet).
Beim Aufeinandertreffen von IMF und Erdmagnetfeld kann es aber unter bestimmten Umständen passieren, dass Feldlinien beider Magnetfelder verschmelzen. Während das Erdmagnetfeld im Wesentlichen unveränderlich ist und daher permanent nordwärts gerichtet ist, wechselt die Richtung des interplanetaren Magnetfeldes ständig. Ist das IMF nach Süden gerichtet (also entgegengesetzt zum Erdmagnetfeld), kann es besonders leicht zu solchen Verschmelzungen kommen. Dadurch entstehen Feldlinien, die vom Sonnenwind in die Magnetosphäre hineinreichen.
Da sich elektrische Teilchen aber problemlos parallel zu einem Magnetfeld bewegen können, sickern nun entlang dieser verschmolzenen Feldlinien Teilchen aus dem Sonnenwind in die Magnetosphäre. Sie sammeln sich in der so genannten Plasmaschicht (grüner Bereich in Abb. 1). Aus diesem Teilchenreservoir in der Plasmaschicht stammen die Teilchen, die das Polarlicht auslösen. Das erklärt auch, warum Polarlichter nur in engen Bereichen um die beiden Pole zu sehen sind – denn nur dort münden die Feldlinien aus der Plasmaschicht, d. h., die Teilchen aus der Plasmaschicht landen hier, wenn sie bis in die Ionosphäre vordringen.
Befindet sich ein geladenes Teilchen in einem Magnetfeld und bewegt es sich senkrecht zu den Magnetfeldlinien, wird es durch die Lorentzkraft abgelenkt. Dadurch kommt es folgendermaßen zu einer Kreisbewegung der geladenen Teilchen um die Magnetfeldrichtung:
Die Lorentzkraft wirkt senkrecht sowohl zu den magnetischen Feldlinien als auch zur Bewegungsrichtung des Teilchens: Ist das Magnetfeld nach unten gerichtet und die Bewegung eines positiven Teilchens nach links, wirkt die Lorentzkraft nach hinten. Will das Teilchen daraufhin der Lorentzkraft folgen und sich nach hinten bewegen, wirkt wiederum die Lorentzkraft und lenkt das Teilchen diesmal nach rechts ab. Das führt dazu, dass das Teilchen auf eine Kreisbahn um die Magnetfeldlinien gezwungen wird.
Negativ und positiv geladene Teilchen haben dabei entgegengesetzten Drehsinn.
Kommt eine Bewegungskomponente entlang des magnetischen Feldes dazu, wird aus der Kreisbewegung eine Spiralbewegung.
Da das Teilchen sich also nicht quer zum Magnetfeld bewegen kann (wann immer es das versucht, wird es auf eine Kreisbahn um die Feldlinie gezwungen, auf der es dann bleibt), kann es „ seine“ Feldlinie nicht verlassen und daher nicht senkrecht zur Feldrichtung aus einem Magnetfeld entweichen sowie umgekehrt auch nicht in ein Magnetfeld eindringen. Teilchen und Feld sind aneinander „gefesselt“, weshalb man auch davon spricht, dass das Magnetfeld im Plasma „eingefroren“ ist.
Wird die Feldlinie durch irgendeinen Einfluss wie z. B. einen elektrischen Strom verbogen, folgt die Teilchenbahn dieser Veränderung. Umgekehrt wird aber auch das Magnetfeld verbogen, wenn beispielsweise durch einen Druck auf das Plasma die Bahn des Teilchens verändert wird.
Weil die Lorentzkraft nur wirkt, wenn die Bewegung des Teilchens senkrecht zum Magnetfeld gerichtet ist, kann sich auch ein geladenes Teilchen ungehindert parallel zu den Magnetfeldlinien bewegen.
Das eingefrorene Magnetfeld ist streng genommen eine Näherung für den Fall unendlich hoher Leitfähigkeit – in der Natur ist es daher nie vollständig eingefroren.
Wird die Leitfähigkeit im Plasma zu klein, ist die Näherung nicht mehr brauchbar und ein Magnetfeld kann ein Plasma auch verlassen (oder das Plasma das Feld). Das ist der Fall, wenn die Teilchendichte so hoch wird – denn dann stoßen die Teilchen zu häufig zusammen und diese Stöße führen zu oft dazu, dass ein Teilchen quasi von „seiner“ Feldlinie heruntergeschubst wird.
Zurück zu den geladenen Teilchen, denen es gelungen ist, über die verschmolzenen Feldlinien in die Plasmaschicht der Magnetosphäre einzudringen.
Der Sonnenwind (dicker, gelber Pfeil in Abb. 3) strömt senkrecht zur Richtung des interplanetaren Magnetfeldes (Kreis mit Kreuz in Abb. 3 – dieses Symbol steht für in die Bildschirmebene hinein gerichtete Feldlinien). Die Lorentzkraft wirkt auf die Elektronen und die Protonen entgegengesetzt und bewirkt deshalb eine Ladungstrennung – die Protonen wandern auf die Morgen-, die Elektronen auf die Abendseite der Magnetosphäre, das heißt, positive Ladungen sammeln sich auf der Morgenseite und negative auf der Abendseite. Es entsteht also ein elektrisches Feld quer durch die Magnetosphäre (dicker dunkelroter Pfeil in Abb. 3).
Getrennte Ladungen entsprechen einer Spannungsquelle und Spannungen möchten abgebaut werden – ein Großteil dieser Ladungstrennung wird abgebaut durch Ströme quer durch den Magnetosphärenschweif (nicht gezeichnet). Aber es bilden sich auch elektrische Ströme aus der Plasmaschicht entlang der magnetischen Feldlinien in Richtung Ionosphäre (gestrichelte, rote Linien in Abb. 3). Die Feldlinien aus der Plasmaschicht münden in der Ionosphäre im sogenannten Polarlichtoval, einem ringförmigen Bereich von ca. 3000–4000 km Durchmesser und einer Dicke von 200–1000 km (grüner Kreis in Abb. 3).
Die feldlinienparallelen Ströme werden hauptsächlich von Elektronen getragen, da diese eine höhere Beweglichkeit haben als die Protonen. Auf der Abendseite (vom negativen Pol) fließen also Elektronen hinunter in die Ionosphäre, auf der Morgenseite fließen Elektronen aus der Ionosphäre heraus in die Magnetosphäre zum positiven Pol (gezeichnet ist die Elektronenfließrichtung – die Stromrichtung ist definitionsgemäß entgegengesetzt).
Da sich die Ladungsträger längs der Feldlinien praktisch ungehindert bewegen können, senkrecht zum Magnetfeld jedoch (fast) nicht, kann sich der Stromkreis nicht unterwegs in der Magnetosphäre schließen. Die Elektronen transportieren daher die Ladungen, also auch die Ladungstrennung und mit ihr das elektrische Feld, hinunter in die Ionosphäre, wo dann ebenfalls ein elektrisches Feld entsteht, das von der Morgen- zur Abendseite quer über das Polarlichtoval gerichtet ist.
Anders ausgedrückt: wenn die Elektronen auf der Abendseite zur Ionosphäre fließen, fließt die negative Ladung zur Abendseite der Ionosphäre; umgekehrt hinterlassen die nach oben fließenden Elektronen in der Morgenseite der Ionosphäre eine positive Ladung. Sodass in der Ionosphäre ebenfalls eine Ladungstrennung mit einem elektrischen Feld entsteht.
Auf der Abendseite fallen wie oben beschrieben Elektronen in die Ionosphäre ein, auf der Morgenseite fließen sie aus der Ionosphäre ab (blaue Pfeile in Abb. 4 – Vorsicht: Diesmal ist die Stromrichtung gezeichnet, die Elektronenfließrichtung ist entgegengesetzt), und zwar jeweils am inneren (polwärtigen) Rand des Polarlichtovals. Allerdings haben nur die einfallenden Elektronen genug Energie, um die Leuchterscheinungen des Polarlichts auszulösen (siehe weiter unten Die Leuchterscheinung). Trotzdem kann man auf Abend- und Morgenseite Polarlichter beobachten – auch hier muss es also einfallende Elektronen geben.
Das kommt so zustande: Die aus der Magnetosphäre einfallenden Elektronen stoßen in der Ionosphäre mit Luftmolekülen zusammen und ionisieren diese dabei. Dadurch erhöht sich die Leitfähigkeit in dem Ring des Polarlichtovals. Im Polarlichtoval kann nun also ein Strom quer zum Oval fließen (weiße Pfeile in Abb. 4). Am gegenüberliegenden Rand können die Ströme nicht weiter fließen – der Ionisationsgrad und damit auch die Leitfähigkeit sind zu gering. Es bleibt den Strömen sozusagen nichts anderes übrig, als wieder parallel zu den Magnetfeldlinien zur bzw. von der Plasmaschicht zu fließen (rote Pfeile in Abb. 4 – Stromrichtung).
Damit bestehen zwei geschlossene Stromkreise zwischen Iono- und Magnetosphäre: Auf der Abendseite und auf der Morgenseite jeweils einen aufwärts- und einen abwärtsgerichteten Elektronenstrom, die über die Ströme im Polarlichtoval geschlossen werden. Deshalb gibt es auch auf der Morgenseite einen magnetfeldparallelen Strom, bei dem Elektronen von der Plasmaschicht in die Ionosphäre einfallen und daher die nötige Energie mitbringen, um die Leuchterscheinungen auszulösen.
In etwa 75 km Höhe beginnt die so genannte Ionosphäre – eine Atmosphärenschicht, in der ein Bruchteil der Teilchen ionisiert ist. Obwohl in 100 km Höhe nur ein Millionstel der Teilchen ionisiert ist, führt dies zu einer elektrischen Leitfähigkeit. Verursacher für die Ionisation ist die Sonnenstrahlung (und zwar sowohl elektromagnetische als auch Teilchenstrahlung von der Sonne): Sie „schießt“ Elektronen aus den Atomen heraus und ionisiert diese auf die Weise. Bei Stößen rekombinieren die Teilchen wieder (das heißt, sie fangen wieder ein Elektron ein) – je höher die Teilchendichte ist, desto eher kommt es zu Stößen und Rekombinationen. Deshalb führt die nach unten zunehmende Teilchendichte dazu, dass unterhalb von 75 km vergleichsweise wenige Atome ionisiert sind und die Atmosphäre hier keine nennenswerte Leitfähigkeit hat. Eine scharfe obere Grenze der Ionosphäre gibt es nicht, man gibt sie mit etwa 1000 km an.
Dass die feldparallelen Ströme in der Ionosphäre geschlossen werden können, ist nicht ganz so selbstverständlich, wie es zunächst klingt. Dazu müssen wir etwas weiter ausholen:
In das Polarlichtoval fließen auf der Abendseite elektrische Ströme hinein, fließen dann durch das Polarlichtoval Richtung Pol und am anderen Rand des Ovals wieder zurück zur Magnetosphäre; auf der Morgenseite ist es umgekehrt. Die Ströme quer zum Ring des Polarlichtovals (weiße Pfeile in Abb. 4a) verursachen ein elektrisches Feld, das entgegengesetzt zu demjenigen ist, das von den feldparallelen Strömen in die Polkappe projiziert wurde (Abb. 3), dargestellt sind die Felder in Abb. 5a (dünne schwarze Pfeile).
Dieses elektrische Feld ist dennoch senkrecht zum Magnetfeld gerichtet. Bewegen sich geladene Teilchen in einer solchen Konstellation von aufeinander senkrecht stehenden elektrischen und magnetischen Feldern, wirkt der Hall-Effekt. Auch dieser ist eine Auswirkung der Lorentzkraft: Da das elektrische Feld senkrecht zum Magnetfeld gerichtet ist, will es auch die Ladungsträger senkrecht zum Magnetfeld in Bewegung setzen. Bei einer Bewegung senkrecht zu einem Magnetfeld wirkt auf elektrisch geladene Teilchen aber die Lorentzkraft (siehe oben Eingefrorene Feldlinien). Diese lenkt die Teilchen ihrerseits in eine Richtung ab, die senkrecht sowohl auf dem Magnetfeld als auch auf dem elektrischen Feld steht. Ist das Magnetfeld nach unten gerichtet, das elektrische Feld nach Süden, werden die Ladungsträger also nach Westen abgelenkt – und zwar Ionen wie Elektronen!. Man nennt dies den Hall-Effekt.
In Metallen führt der Hall-Effekt zu einer elektrischen Spannung senkrecht zur ursprünglichen Stromrichtung, da die Ionen auf ihren Gitterplätzen fest sitzen und nur die Elektronen der Lorentzkraft folgen. In der Magnetosphäre sind Ionen jedoch auch beweglich, weshalb sich die (gleich gerichteten!) Bewegungen negativer und positiver Ladungsträger großenteils aufheben (rote und blaue Pfeile in Abb. 5a) und netto kein nennenswerter elektrischer Strom fließt. Das bedeutet, dass die feldparallelen Ströme nicht durch Ströme senkrecht zum Magnetfeld geschlossen werden können.
Das ändert sich weiter unten in der Ionosphäre bei etwa 125 km Höhe, wo die Teilchendichte so hoch ist, dass Stöße der Ionen untereinander und mit den neutralen Atomen der Atmosphäre so häufig sind, dass die Ionen immer wieder in ihrer Hall-Bewegung gestört werden. Die Ionen (rote Pfeile in Abb. 5a) folgen daher der Richtung des elektrischen Feldes, während die Elektronen (blaue Pfeile in Abb. 5a) weiterhin die Hall-Bewegung senkrecht zum elektrischen Feld ausführen. Es fließt nun also netto ein Strom parallel zum elektrischen Feld, der im Polarlichtoval die magnetfeldparallelen Ströme schließt.
Die Ströme parallel zum elektrischen Feld nennt man Pedersen-Ströme.
Der Hallstrom im Polarlichtoval fließt auf der Abendseite nach Osten, auf der Morgenseite nach Westen. Man nennt ihn den polaren Elektrojet.
Anschaulicher kann man sich das Zusammenwirken von elektrischem und magnetischem Feld auch so verdeutlichen: Gibt es nur ein Magnetfeld, führen die geladenen Teilchen eine Kreisbewegung um die Magnetfeldlinien aus (aufgrund der Lorentzkraft). Kommt nun ein elektrisches Feld hinzu, werden die Halbkreise, auf denen die Bewegungsrichtung mit der übereinstimmt, die das elektrische Feld hervorrufen würde, größer – denn das elektrische Feld beschleunigt die Teilchen auf dieser Teilstrecke. Die Bewegung auf den anderen Halbkreisen wird durch das elektrische Feld entsprechend abgebremst. Dadurch wird aus der Kreisbahn eine Zykloidenbahn, die dazu führt, dass die Teilchen eine Drift senkrecht zum elektrischen Feld ausführen.
Wer jetzt verwirrt ist – denn das elektrische Feld über der Polkappe entstand ja, weil die Bewegung von Ionen und Elektronen aufgrund der Lorentzkraft entgegengesetzt war – es handelt sich um zwei verschiedene Situationen: Dort hatten wir den Fall, dass ein Magnetfeld und eine mechanische Kraft vorlagen (nämlich der Sonnenwind, der einen Teilchenfluss quer zum Magnetfeld bewirkte), die zusammen über die Lorentzkraft ein elektrisches Feld aufbauen, weil negative und positive Teilchen entgegengesetzt abgelenkt werden. Hier wirken aber nun das Magnetfeld und ein elektrisches Feld zusammen und in diesem Fall wirkt die Lorentzkraft auf beide Ladungsarten in dieselbe Richtung.
Unterhalb von etwa 75 km werden auch die Elektronen in ihrer Hall-Bewegung durch Stöße gestört – aber hier ist Anzahl Ladungsträger bereits so gering, dass die Atmosphäre keine nennenswerte Leitfähigkeit mehr hat.
Die Leitfähigkeit parallel zum elektrischen Feld nimmt oberhalb von etwa 150 km rasch ab, da hier wegen der abnehmenden Teilchenzahl die Häufigkeit der Stöße rasch abnimmt. Auch die Hall-Leitfähigkeit nimmt sehr schnell ab, da die Bewegungen von Elektronen und Ionen gleichgerichtet sind und keinen nennenswerten Stromfluss erlauben. Die Leitfähigkeit senkrecht zum Magnetfeld ist daher insgesamt verschwindend klein. Dagegen nimmt die magnetfeldparallele Leitfähigkeit sehr schnell zu, weshalb sie oberhalb der Ionosphäre praktisch unendlich ist.
Das Leuchten der Polarlichter entsteht in Höhen zwischen 100 und 500 km, wobei Sauerstoffatome rotes (oberhalb von 200 km) und grünes (bei 120 bis 140 km Höhe) Licht aussenden, Stickstoffatome blaues und violettes. Während man im Polarlichtoval fast jede Nacht Polarlichter beobachten kann (wolkenfreie Sicht vorausgesetzt), nimmt die Häufigkeit von Polarlichtern in Richtung Äquator ab. Im Mittelmeerraum muss man im Mittel 15 bis 20 Jahre zwischen zwei Polarlichtern warten. Die Polarlichter in niedrigeren Breiten sind meist diffuse rote Flecken, die früher als Unheilsbote interpretiert oder für ein Feuer gehalten wurden. Da das rote Polarlicht in größeren Höhen entsteht, ist es in niedrigeren Breiten eher zu sehen als das grüne (tiefer stehende Lichter werden von der Erdkrümmung verdeckt).
Polarlichter in höheren Breiten können auch als wellende Bänder und wandernde Bögen auftreten, durchsetzt von Strahlen. Je unruhiger und gestörter der Sonnenwind ist, desto unruhiger sind auch die Polarlichter, da die vom Sonnenwind verursachten Störungen in der Magnetosphäre sich auf die Elektronen, die die Leuchterscheinungen verursachen, und ihre Bewegungen auswirken. Herrscht ein ruhiger Sonnenwind, steht das Polarlicht als ruhiger Bogen am Himmel, ist der Sonnenwind böig und wird die Magnetosphäre entsprechend durchgeschüttelt, bedecken Bänder mitunter den ganzen Himmel, die rasch Farbe, Form und Helligkeit wechseln. Diese Erscheinung ist so beeindruckend, dass sich das Aufbleiben auf jeden Fall lohnt – auch wenn die Häufigkeit im Herbst und Frühjahr am größten ist und wolkenfreie Nächte in diesen Jahreszeiten kalte Füße bedeuten …
Solange nichts Dramatischeres passiert als oben beschrieben und der Sonnenwind nur geringe Schwankungen aufweist, lösen die in die Ionosphäre einfallenden Elektronen im Polarlichtoval nur ruhige Polarlichtbögen aus.
Wie oben beschrieben (siehe Erdmagnetfeld und Sonnenwind) können Feldlinien des interplanetaren Magnetfeldes und des Erdmagnetfelds verschmelzen; und über diese verschmolzenen Feldlinien sickern Teilchen aus dem Sonnenwind in die Plasmaschicht der Magnetosphäre ein (Abb. 1). Da der Sonnenwind die verschmolzenen Feldlinien nach hinten verschleppt, wandern (bildlich gesprochen) immer mehr Feldlinien zum Schweif des Erdfeldes. Mehr Feldlinien bedeutet aber auch ein stärkeres Magnetfeld, anders ausgedrückt: Es wird im Schweif immer mehr Energie gespeichert. Das kann aber nicht beliebig lange so weitergehen, irgendwann wird das Ganze instabil und es muss Energie abgebaut werden. Das geschieht, indem es auch hier zu Verschmelzung von Feldlinien kommt: Die stark gedehnten Feldlinien des Schweifes werden eingeschnürt, verbinden sich und schnellen wie ein gedehntes Gummiband zurück. (Der abgeschnürte Rest verschwindet mit dem Sonnenwind im All.)
Mit den zurückschnellenden Magnetfeldlinien bewegt sich auch das mit ihnen verbundene Plasma in Richtung Erde – wieder haben wir eine Bewegung der elektrisch geladenen Teilchen (einwärts) senkrecht zum Magnetfeld (nordwärts). Auch hier kommt es daher zu einer Ladungstrennung: Ionen wandern nach rechts auf die Morgenseite, Elektronen nach links auf die Abendseite und zwischen den getrennten Ladungen entsteht ein elektrisches Feld. Wieder kann sich die elektrische Spannung nur über die Ionosphäre abbauen, weil erst hier unten eine genügend hohe elektrische Leitfähigkeit senkrecht zum Magnetfeld existiert. Die Ladungen wandern also entlang der Magnetfeldlinien in die Ionosphhäre – die Elektronen fallen auf der Abendseite in die Ionosphäre ein, hier ist der elektrische Strom also aus der Ionosphäre herausgerichtet; auf der Morgenseite ist der Strom in die Ionosphäre hineingerichtet.
Von einer anderen Seite her kann man das Stromsystem des Teilsturms ebenfalls betrachten: Der Magnetosphärenschweif – bzw. seine nördliche und südliche Hälfte – sind von einem Strom umschlossen. Zwischen beiden Schweifhälften fließt der sogenannte Neutralschichtstrom von Ost nach West und schließt sich jeweils oben bzw. unten um die Schweifhälften herum. Werden nun vom Sonnenwind immer mehr magnetische Feldlinien zum Schweif verschleppt, das magnetische Feld also verstärkt, muss sich auch der Neutralschichtstrom verstärken – denn die beiden ringförmigen Ströme um die Schweiflappen und das von den Strömen eingeschlossene Schweif-Magnetfeld müssen sich entsprechen.
Kommt es nun zur Rekonnexion und zum Zurückschnellen der Feldlinien, wird aus dem langgestreckten Schweif ein mehr dipolartiges Feld, es wird „runder“. Dabei vergrößert sich der Abstand zwischen den Feldlinien, was zur Folge hat, dass die Feldstärke sinkt – denn je dichter die Feldlinien liegen, desto stärker das Feld. Ein kleineres Magnetfeld entspricht aber auch einem kleineren Neutralschichtstrom. Der überschüssige Strom muss aber irgendwohin – deshalb wird der Neutralschichtstrom unterbrochen und als feldparallele Ströme in die Ionosphäre geleitet (Abb. 9b).
Da sich der Abstand zwischen den Erdmagnetfeldlinien und damit auch zwischen den feldparallelen Strömen in Richtung Erde kleiner wird und das Stromsystem somit keilförmig ist, nennt man es „substorm current wedge“ – Substorm-Stromkeil.
In der Ionosphäre folgen die Elektronen der Hall-Bewegung, die Ionen folgen dem elektrischen Feld und schließen als Pedersen-Ströme die feldparallelen Ströme. (siehe oben: Abschnitt „Der polare Elektrojet“ in: Ionosphäre)
Es fließt also zum einen ein Strom parallel zum Polarlichtoval, der die feldparallelen Ströme des Substorm Current Wedge verbindet – dieser Strom ist der polare Elektrojet eines Teilsturms und überlagert sich dem „gewöhnlichen“ polaren Elektrojet. Der Teilsturmelektrojet ist westwärts gerichtet (gemeint ist die Stromrichtung – die Elektronen fließen nach Osten).
Zum anderen fließen die Hall-Ströme kreisförmig um die Fußpunkte der feldparallelen Ströme in der Ionosphäre.
Zu Beginn umfasst dieses Stromsystem des Teilsturms nur einen schmalen Längenbereich, es dehnt sich aber im Laufe des Teilsturms nach Westen und Osten aus. Da hauptsächlich einfallende Elektronen Polarlichter auslösen und die Leitfähigkeit in der Ionosphäre erhöhen, sieht man besonders am westlichen Ende, beim aufwärtigen feldparalllelen Strom, lebhafte, den ganzen Himmel ausfüllende Polarlichter. Die Lichterscheinung wandert mit der Ausdehnung des Stromsystems nach Westen, weshalb man von der „westward traveling surge“ oder westwärts wandernden Woge spricht.
Im Detail ist, wie so oft, manches komplizierter als hier dargestellt – beispielsweise geht man heute davon aus, dass das Stromsystem der westwärts wandernden Woge nicht einfach nur ein aufwärts gerichteter feldparalleler Strom ist, sondern ein Stromsystem, das ähnlich einem Koaxialkabel aufgebaut ist: Im Zentrum fließt ein feldparalleler Strom nach oben aus der Ionosphäre heraus, an den Rändern fließt der Strom wieder in die Ionosphäre hinein. Dieses Stromsystem ist dem des Teilsturm-Elektrojets überlagert.
Neben der auffallenden Leuchterscheinung im Zusammenhang mit einem magnetischen Teilsturm macht dieser sich auch in Messungen des Magnetfeldes bemerkbar. Ein elektrischer Strom ist von einem Magnetfeld umgeben, so auch der Teilsturm-Elektrojet. Fließt der Strom nach Westen, ist sein Magnetfeld unter ihm nach Süden gerichtet. Die an sich nordwärts gerichtete Komponente des Erdmagnetfeldes wird also durch das südwärtige Feld des Elektrojets abgeschwächt. Das ist deutlich in der x-Komponente des Feldes zu sehen, wie es von Magnetometerstationen am Boden aufgezeichnet wird. Nimmt man als Null-Linie die mittlere Größe der x-Komponente, verursacht ein polarer Elektrojet eine negative Auslenkung der x-Komponente (Abb. 12).
Die Daten der Magnetfeldmessungen wie auch die Plots der äquivalenten Ströme (siehe weiter unten) stammen von der Webseite der IMAGE-Magnetometerstationen: http://www.ava.fmi.fi/image/beta/?page=home. IMAGE steht für „International Monitor for Auroral Geomagnetic Effects“, das Projekt umfasst mittlerweile 33 Magnetometerstationen, die überwiegend in Skandinavien stehen und von 10 Instituten in Estland, Finnland, Deutschland, Norwegen, Polen, Russland und Schweden betreut werden. Das Projekt besteht seit 1982 (damals noch der Vorgänger, das EISCAT-Magnetometerkreuz) und dient seitdem der Untersuchung von Vorgängen in Ionosphäre und Magnetosphäre in hohen Breiten. Auf der Webseite kann man sich die Daten zu interessanten Ereignissen ansehen und aus den Magnetfelddaten äquivalente Ströme berechnen. Das ist hauptsächlich für Wissenschaftler interessant, aber auch hier ganz nützlich.
In jedem Fall gebührt den beteiligten Instituten Dank für die Betreuung der Stationen und auch für den angebotenen Service, die Daten bereitzustellen.
Abbildung 12 zeigt die x-Komponente des Magnetfeldes am Boden während des Teilsturms vom 30. 9. 2014.
Abkürzung | Ortsname | geograf. Breite | geograf. Länge |
---|---|---|---|
NAL | Ny Ålesund | 78,92° | 11,95° |
LYR | Longyearbyen | 78,20 | 15,82 |
HOR | Hornsund | 77,00 | 15,60 |
BJN | Bjørnøya | 74,50 | 19,20 |
NOR | Nordkapp | 71,09 | 25,79 |
MAS | Masi | 69,46 | 23,70 |
MUO | Muonio | 68,02 | 23,53 |
PEL | Pello | 66,90 | 24,08 |
OUJ | Oulujärvi | 64,52 | 27,23 |
HAN | Hankasalmi | 62,25 | 26,60 |
NUR | Nurmijärvi | 60,50 | 24,65 |
TAR | Tartu | 58,26 | 26,46 |
Es hat natürlich Gründe, warum ich ausgerechnet zum Teilsturm vom 30. 9. 2014 die Magnetfeldmessungen zeige – denn zu diesem Ereignis befanden wir uns gerade auf den Lofoten und haben auch Polarlichtaufnahmen gemacht. Leider war der Himmel zu Beginn bewölkt. Nachdem wir gegen 19:00 UT (UT = Universal Time) einige Aufnahmen ruhiger Polarlichter machen konnten, war ab 19:30 UT nur noch wenig Aktivität, sodass wir uns ins Bett verzogen (es war ja immerhin schon 21:30 Uhr Sommerzeit). Gegen 20:30 UT (22:30 Uhr) weckte uns dann unser zuverlässiger Reiseleiter und pünktlich mit dem Einsetzen des Teilsturms flammte der Himmel grün auf – was aufgrund der Streuung durch die Wolken wörtlich zu nehmen ist; es war, als ob die gesamte Wolkendecke grün leuchtete. Nachdem sich die Wolken verzogen hatten, waren dann auch die Bögen und Wellen zu sehen, bis sie gegen Mitternacht (22:00 UT) schwächer wurden. Ein Teil davon zeigt die 1. Minute des oberen Videos 6a im Kapitel Die Leuchterscheinung.
Die Ströme in der Ionosphäre sind von Magnetfeldern umgeben, die sich dem „normalen“ Erdmagnetfeld überlagern. Sie können am Erdboden daher mit Magnetometern gemessen werden. Umgekehrt kann man dann aus den Magnetfeldmessungen Rückschlüsse auf die verursachenden Ströme in der Ionosphäre ziehen. Ein Weg ist, die äquivalenten Ströme zu berechnen. Dabei ermittelt man Ströme, die nur in der Ebene der Ionosphäre in 100 km Höhe fließen und genau das Feld erzeugen, das man unten gemessen hat. Da die tatsächlichen Ströme auch in die Richtungen senkrecht zu dieser Ebene fließen können (was bei der Berechnung nicht berücksichtigt wird), sind die äquivalenten Ströme nicht zwangsläufig gleich den tatsächlichen, geben aber einen Eindruck von den ionosphärischen Strömen wider.
In Abb. 13a wurde nur die x-Komponente des Magnetfeldes am Boden verwendet, d. h., die berechneten Ströme fließen nur in Ost-West-Richtung, man beschränkt sich also auf die Abschätzung der Stärke des Elektrojets.
In Abb. 13b wurden x- und y-Komponente des Magnetfeldes am Boden verwendet, d. h., die berechneten äquivalenten Ströme bilden ein zweidimensionales Stromsystem.
Wenn es auf der Sonne zu abrupten Massenauswürfen kommt (koronale Massenauswürfe), erhöhen sich Dichte und Geschwindigkeit des Sonnenwindes sehr rasch sehr stark (er wird „stürmisch“) und eine Stoßwelle kommt mit dem Sonnenwind auf die Erdmagnetosphäre zu. Die Magnetosphäre wird „durchgeschüttelt“ und flattert wie eine Fahne im Wind (vergleichbar der Wellenanregung auf Ozeanen durch gewöhnliche Stürme).
Der Vorgang des Einschnürens, Verbindens und Zurückschnellens der Feldlinien wie oben für einen Teilsturm beschrieben, spielt sich während eines magnetischen Sturmes mehrfach ab. Ein geomagnetischer Sturm setzt sich also aus mehreren Teilstürmen zusammen.
Während Teilstürme nur wenige Stunden dauern, können sich magnetische Stürme über mehrere Tage hinziehen.
Geomagnetische Stürme setzen sich aus Teilstürmen zusammen, Teilstürme können aber auch isoliert auftreten – weshalb der Name Teilsturm etwas irreführend ist. Er kommt daher, dass man ursprünglich die Teilstürme tatsächlich nur als Teil der geomagnetischen Stürme auffasste. Der englische Begriff Substorm passt, wie ich finde, von der Bedeutung her besser.
Der polare Elektrojet nimmt bei einem magnetischen Sturm gewaltig an Stärke zu – von 1 kA auf 1000 kA. Die heftigen Schwankungen aufgrund der aufeinanderfolgenden Teilstürme haben einen ebenso schwankenden polaren Elektrojet zur Folge, wir haben es also mit einem Wechselstrom zu tun. Damit wirkt der polare Elektrojet wie die Primärspule eines Transformators. Als Sekundärspulen wirken dann oftmals technische Einrichtungen wie Hochspannungsleitungen. Hier werden dann Spannungen induziert, die immense Schäden verursachen können.
Sonnenflecken sind Gebiete auf der Sonnenoberfläche (der so genannten Photosphäre), die im Vergleich zu ihrer Umgebung kühler sind und deshalb dunkler erscheinen. Ihre Anzahl variiert in einem 11-jährigen Zyklus. (Eigentlich sind es 22 Jahre. Die Flecken sind mit Magnetfeldern verbunden, deren Polarität sich in jedem Zyklus umkehrt. Deshalb ist derselbe Zustand unter Berücksichtigung der Magnetfeldpolarität erst im übernächsten Zyklus wieder erreicht.)
Eine hohe Anzahl von Sonnenflecken bedeutet eine hohe Sonnenaktivität und entsprechend eine erhöhte Wahrscheinlickeit, auch hierzulande Polarlichter erleben zu können. Der Widerspruch der erhöhten Aktivität der Sonne zur niedrigeren Temperatur der Flecken erklärt sich dadurch, dass die Flecken immer von Bereichen erhöhter Sonnenaktivität begleitet werden. Diese sind es eigentlich, die für verstärktes Auftreten von Polarlichtern sorgen.
Sonnenbeobachtungen darf man NIEMALS ohne einen geeigneten Filter oder eine für diesen Zweck entwickelte Schutzbrille durchführen! Die Sonnenstrahlung würde das Auge zerstören und zur Erblindung führen.
Michaela, die Assistentin für alles Philosophische und Psychologische, Yoga und Wellness. Chronisch unfrisiert liebt sie alles Chaotische, Kreative und möchte deshalb natürlich Leben im Universum haben.
Luzie, die Assistentin aus dem Untergeschoss, zuständig für alles Brennbare und Explosive, ist der Untergang aller Ordnung und Symmetrie und der Ruin der Nerven ihrer Kolleginnen.
Laplacie, der Laplacesche Dämon, der als fleißiger HiWi immer für Ordnung sorgt und für den nur die Quantenmechanik schlimmer ist als das Aufeinandertreffen aller drei Kolleginnen.
Gott, der Chef, der mit unerschütterlicher Ruhe die Kolleginnen und ihre Arbeiten dahin lenkt, wo er sie hinhaben will, zu einer funktionierenden Physik und irgendwann der Entstehung von Bakterien, Quallen, Nashörnern und anderen Lebewesen.
Gabriela, die Assistentin für Naturwissenschaften. Stets exakt frisiert hält sie hochsymmetrische Zustände für den Inbegriff von Schönheit und steht der Idee, Leben und das damit verbundene Chaos im Universum entstehen zu lassen, mit Skepsis, um nicht zu sagen, tief empfundenem Abscheu gegenüber.
„Die Nächte hier sind doch recht lang.“ Gott ließ sich stirnrunzelnd auf einem arktischen Eisberg nieder und schaute Laplacie zu, der sich gegen den Polarwinter ein Iglu baute.
„Und so dunkel ...“ Michaela wickelte trübsinnig eine weitere Tafel Schokolade vom großen Haufen rechts von ihr aus und warf das Papier auf den mindestens genauso großen Haufen links von ihr.
„Aber zum Glück gibt es nur eine davon pro Jahr“, stellte Gott fest. „Sie wissen doch, man muss alles positiv sehen.“
„Positiv?“ Trübsinnig starrte Michaela ihn an. „An sechs Monaten Dunkelheit ist nichts Positives.“ Sie futterte zwei weitere Tafeln.
„Hm. Man müsste diese Polarnacht vielleicht etwas freundlicher gestalten“, überlegte Gott, als Gabriela mit Funken sprühenden Flügeln heranbrauste. „Um Gottes willen, Chef, aus dem Weg!“
Bei dem rasanten Ausweichmanöver rutschte sie im Schnee aus, prallte gegen das Iglu und versank in einem Haufen aus Schneequadern, was ihren Auftritt einiges an Autorität kostete. „Sie können mir doch nicht einfach im Weg herumsitzen!“ kam es zornig aus einer Pulverschneeschwade. „Und was soll dieses Ding hier?! Gebäude dulde ich nicht im ewigen Eis!“
„Meine Lieben, so geht das nicht. Je länger diese Polarnacht dauert, desto gereizter werden Sie, werte Gabriela, und die Kollegin hier neben mir hätte sich schon von einem Eisberg gestürzt, wenn sie nicht Flügel hätte. Wir müssen etwas dagegen tun. Wir brauchen etwas Fröhliches. So etwa.“
Gott holte eine Lichterkette aus der Tasche, eine von der Sorte mit den bunten, blinkenden Lämpchen.
„Meinen Sie nicht auch, dass ein bisschen Licht die Polarnacht aufpeppt?“
„Licht?“ Gabriela zog entnervt die Brauen hoch. „Hier ist es Nacht! Ohne Sonne auch kein Licht! Das wäre ja noch schöner, hier die Nacht zum Tage machen. Und dieses Ding da kommt mir auf keinen Fall an den Himmel!“
„Ach, Verehrteste, haben Sie doch mal ein bisschen Fantasie! Hier gibt es bestimmt auch ein paar Moleküle, die Sie zum Leuchten bringen können. Es muss doch nicht immer alles Sonnenlicht sein! – Und die Kette brauchen wir übrigens zu Hause!“
Gabriela kam der Gedanke, es könnte vielleicht doch von Vorteil sein, die Kette hier am Nordpol zu lassen, aber sie wurde von Gott abgelenkt, der begonnen hatte, auf die Moleküle der oberen Ionosphäre einzupieken. Vereinzeltes Kichern ertönte, aber die meisten Moleküle zuckten nur kurz zusammen und ließen ihre Elektronen hüpfen. Rotes und grünes Licht blitzte auf.
„Das ist es! Das brauchen wir! Ein Polarlicht!“ Gott strahlte sein Polarlicht an. „Gabriela – denken Sie sich doch mal was aus! Wie wir das Leuchten erzeugen, wenn ich gerade keine Zeit zum Pieken habe. Auf die Dauer wird mir das auch zu langweilig und Laplacie hat sicher auch nicht ewig Lust dazu.“
„Neineinein, ich muss ein neues Iglu bauen. Hier gibt es Schneestürme“, kam es dumpf hinter einem Schneehaufen hervor.
Gabriela verzog säuerlich das Gesicht, holte aber ihr Laptop hervor. Sie murmelte eine Weile vor sich hin.
„Hm – wir brauchen ein Erdmagnetfeld ... hm, hm ... einen Sonnenwind ... Ionosphäre ...“
Dann nahm sie ihr Handy und telefonierte kurz. Augenblicke später schlug ein Blitz in das halbfertige Iglu ein, ein feuriges Geschoss kam vom Himmel und schmolz sich in den Schnee. Luzies Kopf tauchte mit zischenden Hörnern aus dem Schmelzkrater auf. Durch den Nebel des verdampfenden Wassers um sie herum fragte sie: „Was‘n jetzt schon wieder?“
„Der Erdkern muss umgerührt werden – wir brauchen ein Erdmagnetfeld. Ich brauche elektrische Ströme in genau dieser Form!“
Luzie warf einen kurzen Blick auf die Gleichungen. „Häh? Hamse nich mal‘n Bild von den Strömen? Das Zeuch da kapiert doch keiner!“
Gabriela verdrehte die Augen, zeichnete dann aber resigniert ein paar schraubenförmige Ströme. „Kriegen Sie das hin? Und zwar bald?“
Luzie kratzte sich die Hörner. „Erdkern umrühren? Kann ich wohl machen, is ja ziemlich flüssig, außen. Aber wo woll‘nse‘n da die elektrischen Ströme herkriegen?“
Gabriela stieß entnervt die Luft aus, öffnete den Mund, schloss ihn wieder, holte tief Luft und erklärte verbissen, aber gaaaanz ruhig: „Rühren Sie einfach, ja?“
Luzie zuckte die Schultern, suchte sich einen hitzebeständigen Rührlöffel passender Größe aus ihrem Werkzeugkoffer und brauste zum nächsten Vulkan, durch den sie ins Erdinnere abtauchte.
Gott kletterte auf den Vulkan, sah in den Schlot hinein und beobachtete die fleißig rührende Kollegin im flüssigen äußeren Erdkern. Sie rührte – für ihre Verhältnisse – sehr schöne und korrekte Eisenströme. Aber, wie Gott sofort bemerkte – und Gabriela ihrem finsteren Gesichtsausdruck zufolge auch – floss da zwar das flüssige Eisen, aber es floss kein elektrischer Strom. Die Temperatur des Eisens war hoch genug, so dass etliche Atome Elektronen abgegeben hatten und also durchaus Ladungsträger vorhanden waren. Aber es gab gleich viel von jeder Sorte – positive Ionen und negative Elektronen – und beide Sorten strömten fleißig vor dem Rührlöffel her, so dass in der Summe kein elektrischer Strom floss, weil sich die Ströme beider Ladungsarten ausglichen.
Gabrielas Finger krallten sich um den Rand des Kraters. Als die ersten Felsbrocken herunterbröselten, hatte Gott eine Eingebung. „Luzie, wird Ihnen das nicht langweilig? Möchten Sie ihren Walkman?“ Er warf den Walkman in die Tiefen des Erdinnern (Jetzt krachten die ersten größeren Felsen unter Gabrielas Fingern nach unten. Michaela sah ihren Schokoladenberg unter einem Brocken zermalmt und stand auf, um sich von einem Eisberg zu stürzen; Laplacie gab angesichts seines zum dritten Mal zerstörten Iglus auf und orderte beim Trecking-Versand ein Tieftemperaturzelt.)
Luzie setzte sich den Walkman auf und hüpfte jetzt beim Rühren hin und her. Was der Gleichmäßigkeit des Rührens nicht gerade förderlich war. Gabriela stampfte mit dem Fuß auf, wobei eine mittelgroße Caldera erzeugt wurde, setzte zu einem nachdrücklichen Protest an, als Gott an ihrem Gewand zupfte und vor sich deutete. „Sehen Sie? Da kommen die ersten magnetischen Feldlinien! Bald haben wir es.“
Gabrielas Mund blieb einen Moment offen stehen. Dann räusperte sie sich. „Nun ja. Selbstverständlich. Durch die Unregelmäßigkeiten beim Rühren ist es zu Verschiebungen im Ladungsgleichgewicht gekommen. Es sind nicht mehr alle Ladungen gleichmäßig geflossen, sodass es, obwohl die Schmelze als Ganzes elektrisch neutral ist, zu elektrischen Strömen gekommen ist. Sehr schön. So sollte es natürlich sein. Die elektrischen Ströme erzeugen ein Magnetfeld, das wiederum elektrische Ströme erzeugt, die auch wieder ein Magnetfeld erzeugen und so weiter und so fort. Durch diese Selbstinduktion kann sich ein stabiles Erdmagnetfeld aufbauen. Aber das ist nur die eine Hälfte unseres Vorhabens. Ich werde mich jetzt auf den Weg machen und bei der Sonne die für die andere Hälfte nötigen Prozesse in Gang setzen.“
Mit einem Start, der sehr viel würdevoller war als ihre Landung, machte Gabriela sich auf den Weg zur Sonne, während Gott das junge Erdmagnetfeld bewunderte.
„Schön, ein fast perfektes Dipolfeld mit einem Pol am geografischen Nordpol und einem Pol am geografischen Südpol.“ Laplacies Laune hob sich bei dieser Symmetrie sofort. Stirnrunzelnd stellte er dann fest, dass Luzie da (völlig überraschend) etwas nachlässig gewesen war – das, was nach gängiger Definition ein magnetischer Südpol war, befand sich am geografischen Nordpol und umgekehrt. Aber dann zuckte er die Schultern. Was sollte es, was man als Nord- und Südpol bezeichnete, war ohnehin nur Konvention. Hauptsache, es war ein schönes Dipolfeld.
Gabriela hatte derweil die Sonne erreicht. Sie hielt ihr einen Vortrag über die Notwendigkeit von Leuchterscheinungen in der Polarnacht, worauf die Sonne allerdings reichlich verschnupft reagierte. „Wie? Leuchterscheinungen?“ Die Sonne plusterte die Backen auf und musste von Gabriela nachdrücklich daran erinnert werden, dass das Aufblasen zum Roten Riesen erst in einigen Milliarden Jahren auf dem Programm stehen würde.
„Erst wird die Erdachse so schief gestellt, dass die Pole ein halbes Jahr nichts von meinem Licht haben und nun suchen die Herrschaften nach einer Alternative? Bitte schön, aber ohne mich!“
Die Diskussion wurde sehr intensiv und sehr ausführlich und mit allem Nachdruck geführt – die Einzelheiten ersparen wir uns mit Rücksicht auf die sensibleren unter unseren Lesern, aber zum Schluss gab die Sonne zähneknirschend nach und blies einen mehr oder weniger gleichmäßigen Sonnenwind ins All. (Allerdings hat die Sonne seit dieser Diskussion einige Flecken.) Ein Strom von Elektronen, Protonen und Heliumkernen floss jetzt von der Sonne ab, mit etwa 400 km/s.
„Oh. Eine frische Brise.“ Gott beobachtete, wie der Sonnenwind auf die Erde zuraste. Er holte vorsichtshalber einen Regenschirm hervor, um sich und seinen Lieblingsdämon gegen den Teilchenbefall zu schützen – immerhin war das da Teilchenstrahlung, nicht ganz ungefährlich. „Jetzt werden wir ja sehen, ob wir unsere eingefrorenen Magnetfelder nicht auch mal ganz lebensnah einsetzen können. Oh ja, es funktioniert. Auch wenn es hier eigentlich eher ein ausgefrorenes Magnetfeld ist. Weil es nicht in den Sonnenwind hineinkann.“ Gott beobachtete, wie der Sonnenwind vorn auf das Erdmagnetfeld traf und es zusammenstauchte. Aber es gelang dem Strom aus geladenen Teilchen nicht, dort in das Feld einzudringen, er musste um das Erdmagnetfeld herumströmen. Dafür sorgte die Lorentzkraft, die geladene Teilchen in Magnetfeldern von ihrer Bahn ablenkt und dafür sorgt, dass geladenen Teilchen sich kreisförmig um die Magnetfeldlinien bewegen. Das führt dazu, dass Teilchen und „umkreiste“ Feldlinie fest verbunden sind. Da der Sonnenwind aus geladenen Teilchen bestand, konnte ein einmal in ihm erzeugtes Magnetfeld ihn deshalb nicht verlassen. Umgekehrt bedeutete das aber auch, dass ein Magnetfeld nicht von außen in ihn eindringen konnte. Das Erdmagnetfeld musste also draußen bleiben. Oder andersherum ausgedrückt: Der Sonnenwind musste vor dem Erdmagnetfeld bleiben, das war eine Frage des Standpunktes.
„Chef, gucken Sie mal! Das schöne Dipolfeld wird ganz lang dahinten!“
Laplacie beobachtete empört, wie der Sonnenwind das Erdmagnetfeld an der sonnenabgewandten Seite der Erde zu einem langen Schweif auseinanderzog. „Das sieht nich schön aus! Das will ich nich!“
„Hm. Ja. Aber ich fürchte, das geht nicht anders. Weil der Sonnenwind nicht in die Magnetosphäre eindringen kann, verformt er sie, wie eine Wasserströmung ein elastisches Hindernis verformen würde. Aber guck mal, hier unten in Erdnähe ist alles noch schön dipolförmig. Das ist doch was, oder? Aber ... sieh mal, da ist ja auch noch ein Magnetfeld im Sonnenwind. Kommt das von der Sonne?“ Gott und Laplacie verfolgten die Feldlinien zurück zu ihrem Ursprungsort, der in der Tat auf der Sonne lag. „Klar, die Feldlinien des Sonnenmagnetfeldes sind im Plasma des Sonnenwindes eingefroren und werden mit dem Wind mitgeschleppt durch das Planetensystem und dahin, wo noch nie ein Mensch gewesen ist. Jetzt haben wir also ein Magnetfeld, das zwischen den Planeten durchsaust. Ein interplanetares Magnetfeld sozusagen. – Aber leuchten tut‘s hier immer noch nicht. Da muss ich wohl noch mal nachhelfen. Oder – ach wie vorausschauend. Die Kollegin hat mit ihrem psychologischen Geschick schon alles vorbereitet.“
Nach getaner Arbeit machte Gabriela sich auf den Rückweg zur Erde. Unglücklicherweise hatte sie die Rachsucht der Sonne unterschätzt. Mit einem hinterhältigen Grinsen schleuderte der Stern Gabriela eine Sonnenwindbö hinterher, die sie mit Wucht auf das Erdmagnetfeld prallen ließ. Gabriela fluchte vor sich hin, verhedderte sich dabei aber ganz fürchterlich in den Feldlinien des Erdmagnetfeldes und des interplanetaren Magnetfeldes. Schließlich zerriss sie die Feldlinien wütend, befreite sich und knotete die Feldlinien anschließend wieder zusammen. Sie achtete dabei nicht sonderlich darauf, welche Feldlinie wohin gehörte, so dass es zu Verbindungen zwischen beiden Feldern kam. Ärgerlich wedelte sie die Feldlinien dann von sich weg, bis sie mit dem Sonnenwind in Richtung Magnetosphärenschweif verschwanden. Weil es nun Feldlinien gab, die vom Sonnenwind in die Magnetosphäre hineinreichten, gelang es etlichen Teilchen des Sonnenwindes an diesen Feldlinien entlang in den Magnetosphärenschweif einzudringen und sich dort in einem Bereich zu sammeln.
„Ah, eine Plasmaschicht“, stellte Gott zufrieden fest. „Jetzt müssen wir nur noch Teilchen aus der Plasmaschicht überreden, näher an die Erde heranzuströmen und das Leuchten zu erzeugen. Mal sehen ... ah ja.“ Er wedelte noch ein bisschen die Feldlinien in die gewünschte Richtung. Die waren durch Gabrielas Verknotungen ja nun an einem Ende mit der Erde verbunden, während das andere Ende noch halbwegs in die Richtung des interplanetaren Feldes zeigte. Was bedeutete, dass das Sonnenwindplasma sich senkrecht zu diesen Feldlinien entlang der Magnetosphärengrenze strömte. Wenn sich das Plasma senkrecht zu den Magnetfeldlinien bewegte, wirkte aber die Lorentzkraft. Zufrieden sah Gott, wie die Lorentzkraft die Elektronen auf die eine und die Ionen auf die andere Seite der Magnetosphäre trieb und sich so ein elektrisches Feld quer zur Magnetosphäre aufbaute. Das veranlasste Ionen und Elektronen, der herrschenden Spannung nachzugeben und entlang der Magnetfeldlinien in Richtung Erde zu spiralen – wobei die Elektronen deutlich beweglicher und daher im Vorteil waren. Sie kamen bis in wenige hundert Kilometer Höhe hinab, in die Ionosphäre. In diesem Teil der Atmosphäre war die Dichte so hoch, dass sie ständig mit anderen Teilchen kollidierten, was dazu führte, dass sich nun auch parallel zum elektrischen Feld Ladungsträger bewegten. Zum anderen wurden bei den Zusammenstößen mit Ionosphärenatomen diese ionisiert, was die in der Ionosphäre ohnehin schon hohe Leitfähigkeit weiter erhöhte. Kurzum, die aus der Plasmaschicht einfallenden Ströme flossen quer durch die Ionosphäre, und zwar in einem ringförmigen Bereich rund um den magnetischen Pol, um dann am anderen Rand des Ringes wieder entlang der Magnetfeldlinien zurück in die Plasmaschicht zu fließen. Und dann gab es bei den Zusammenstößen zwischen Elektronen und Ionosphärenatomen noch einen dritten Effekt – das Leuchten. Elektronen von Sauerstoff- und Stickstoffatomen wurden bei den Stößen in höhere Schalen katapultiert und gaben beim Zurückfallen die überschüssige Energie als Licht ab.
Gott beobachtete zufrieden, wie die längs der Magnetfeldlinien in die Ionosphäre einfallenden Teilchen dort Atome zum Leuchten anregten und in 100 bis einige 100 km Höhe rotes und grünes Leuchten erzeugten. Laplacie kam aus seinem Tieftemperaturzelt gekrochen und bewunderte einen grünen Wellenvorhang, der vorbeiwallte. Dann sah er sich um und spähte über die Erdkugel. „Chef, seh ich das richtig, dass das Licht nur hier zu sehen ist? Nur zwischen 65° und 75° geografischer Breite? Is das nich ungerecht?“
„Nun ja, auf der Südhalbkugel natürlich auch. Immer gleichzeitig auf beiden Hemisphären. Hm. Aber du hast Recht, es ist nur dieser Ring, in dem man es sehen kann.“ Gott inspizierte die Magnetosphäre. „Sieh mal, das liegt daran, dass hier die Feldlinien aus dieser Plasmaschicht münden. Deshalb können die Teilchen aus der Plasmaschicht nur hier bis in die Ionosphäre herunterkommen. Ja, das geht dann wohl nicht anders. Ab und zu können wir ja einen magnetischen Sturm ... ja, so in etwa.“
Die Sonne war immer noch sauer und hatte in einer besonders gewaltigen Eruption einen Stoß sehr schnellen Sonnenwindes ausgestoßen, der nun mit Macht auf die Magnetosphäre prallte und diese zusammendrückte, wodurch sich die Feldlinien nach innen verschoben. Jetzt mündeten die Feldlinien aus der Plasmaschicht auch in niedrigeren geografischen Breiten, das Polarlichtoval hatte sich äquatorwärts ausgedehnt. „Sieh mal“, Gott nahm ein Fernglas, „jetzt haben sie auch in Stuttgart ein Polarlicht. Sehr schön.“
Als Gabriela dann äußerst schlecht gelaunt wieder auf der Arktis eintraf, begrüßte Gott sie mit einem Grinsen, das mehr schein- als heilig war: „Aber dieses Polarlicht war ja ganz wunderbar – machen Sie das nochmal?“
Wütend fegte Gabriela sich einen Rest Sonnenwindplasma aus dem Haar, in dem noch ein Stück eingefrorene Feldlinie hing. „Wenn Sie mich ärgern wollen, Chef, ...“
„Aber nein!“ gluckste Gott. „Ich doch nicht! Ich – äh – ich seh mal nach, was unsere Luzie da zusammenrührt!“
Gott nahm Anlauf und hopste in den Vulkan.
Dass die anschließend auftretenden Schwankungen im Erdmagnetfeld Gabriela an Lachsalven erinnerten, war nur ihrer überreizten Fantasie zuzuschreiben.
© Wiebke Salzmann, Juni 2009