freie Lektorin und Autorin
Auf dieser Seite liegt die Faszination im Kleinen …
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Die Kristallhöhle Kubach liegt bei Weilburg an der Lahn. Sie entstand in 350 Mio. Jahre altem Kalkstein im Rheinischen Schiefergebirge (Siehe auch: Vulkaneifel). Dabei ist der Kalkstein älteren Ursprungs als das Gebirge – er entstand bereits im Devon. Damals gab es hier noch kein Gebirge, das Land lag unter einem Schelfmeer (also einem Meer, das auf kontinentaler Kruste liegt – ein überspülter Kontinentrand). In diesem Schelfmeer lebende Stromatoporen bauten im mittleren Devon Riffkalke, aus dem der Kalkstein entstand, in dem heute die die Kubacher Kristallhöhle liegt.
Die Gegend gehörte damals zum Südrand des Kontinents Euramerika. Das Rheinische Schiefergebirge wurde im Karbon im Zuge der variszischen Gebirgsbildung aufgefaltet, als der Kontinent Gondwana von Süden her auf Euramerika zudriftete (s. Karbon).
Die Kristalle, die der Höhle ihren Namen gegeben haben, bemerkt man zunächst als ein Funkeln auf einer Wand hinter einer Wasserfläche. Die Kristalle sind recht klein und auf den ersten Blick eher unspektakulär. Auf den zweiten Blick stellen sie jedoch etwas Besonderes dar.
Auch diese Kristalle bestehen aus Calciumcarbonat – worin also besteht also das Besondere an diesen winzigen Dingern im Vergleich zu dem beeindruckenden Sinterfall in Abb. 1b?
Vergleichen wir mal den Knöpfchensinter oder Perlsinter mit den Kristallen in Nahaufnahme:
Der Knöpfchensinter hat runde Formen, die Kristalle sind eckig. Letztlich besteht der Sinter oder Tropfstein aber auch aus Calciumcarbonat-Kristallen – wieso bildet sich mal dies und mal das? Es gibt ein bekannteres Beispiel für solch ein Verhalten: Wasser(eis).
In klaren, kalten Nächten kühlt die Erdoberfläche stark ab (da die Wolkendecke fehlt, die die entweichende Wärmestrahlung sonst wie ein Glashaus zurückhält). Die Luft am Boden kühlt sich dann ebenfalls ab. Da kalte Luft weniger Wasser aufnehmen kann als warme, kondensiert Wasser aus und lagert sich am Boden ab – bei Temperaturen über 0 °C als Tau, darunter als Reif. Das ist zwar meist recht hübsch anzusehen, aber noch nichts wirklich Außergewöhnliches.
Unter bestimmten Bedingungen kann sich aber Raureif bilden – lange Nadeln oder verzweigte Strukturen. Diese entstehen, wenn sich der Wasserdampf aus der Luft an den bereits im Reif vorhandenen Eiskristallen anlagert. Jedes Material kristallisiert in bestimmten Formen, abhängig von der Form seiner Moleküle. Deshalb gibt es auch für das Wachstum der Eiskristalle im Raureif bestimmte Vorzugsrichtungen, die dafür sorgen, dass regelmäßige Figuren und Strukturen entstehen, wie die Eisnadeln oder auch Eisblumen. Damit diese Strukturen entstehen können, braucht der wachsende Kristall genügend Platz und die nötige „Ruhe“ um sich herum, weshalb Raureif nur selten und unter ganz bestimmten Bedingungen entsteht. Die Temperatur muss mindestens 8 °C unter dem Gefrierpunkt liegen und die Luftfeuchte muss über 90% betragen. Wenn sich Eiskristalle bilden, wird Wärme frei, die die weitere Kristallbildung verhindern würde. Deshalb ist ein leichter Wind günstig, der diese Wärme abtransportiert. Der Wind darf aber wiederum auf keinen Fall zu stark sein, da die Kristallstrukturen sonst zerstört werden.
Viel häufiger sind dagegen Eiszapfen zu sehen. Diese bilden sich, wenn der Schnee bspw. auf einem Dach von der Sonne erwärmt wird und antaut, das Tauwasser dann am Dach hinabläuft und an der Kante wieder gefriert, bevor es abtropfen kann. Läuft weiteres Wasser nach, wächst der Eiszapfen. Auch wenn das Wasser am Zapfen gefriert, bilden sich natürlich Eiskristalle. Während sich beim Raureif die Wassermoleküle aber mehr oder weniger einzeln anlagern, gefriert beim Zapfen eine größere Menge Wasser („größer“ ist in diesem Zusammenhang bereits ein kleiner Tropfen) quasi auf einmal, so dass sich in der Flüssigkeit viele Kristalle gleichzeitig bilden. Die haben dann nicht genug Platz und Zeit, um solche feinen, regelmäßigen Strukturen wie im Raureif auszubilden, sondern wachsen zu dem festen Eiszapfen mit seiner glatten Oberfläche zusammen. Auch das ständig nachrinnende Wasser verhindert, dass feine Strukturen entstehen.
Beim Calciumcarbonat verhält es sich nicht anders als beim Wasser: Wenn sich Tropfstein bildet, ist das Wasser in Bewegung – es rinnt und tropft. Unter diesen Bedingungen entstehen viele kleine Calciumcarbonat-Kristalle aus, die sich in einer mehr oder weniger zufälligen Weise zum Tropfstein zusammenlagern. Größere regelmäßige Strukturen können so nicht entstehen und ein Tropfstein hat eine glatte Oberfläche mit eher runden Formen.
Steht das Wasser jedoch längere Zeit ruhig in einem Wasserbecken, kann es auch beim Calciumcarbonat passieren, dass sich in dem Wasserbecken ein Kristall bildet, der dann Molekül für Molekül wächst in der für dieses Material typischen Form.
Raureif bildet sich über Nacht, braucht also nur für einige Stunden die richtigen Wetterbedingungen – und das passiert schon nicht besonders häufig. Tropfstein braucht 10 Jahre, um 1 cm zu wachsen. Damit sich Calciumcarbonat-Kristalle in einer halbwegs nennenswerten Größe bilden können, müssen die richtigen Bedingungen also über (mindestens) Jahre und Jahrzehnte herrschen. Deshalb sind Kristalle so viel seltener als Tropfstein.
Zur Kubacher Kristallhöhle gehört ein Steinemuseum, hier kann man Steine aus verschiedenen Erdzeitaltern sehen und erfährt aus einigen Schautafeln Wissenswertes über die Entstehung der Steine und die Erdzeitalter, aus denen sie stammen (Abb. 6a und b zeigen zwei Beispiele).
© Wiebke Salzmann, Dezember 2013